Isabel Allende: "Amandas Suche"
Charaktervielfalt,
bunte Handlung, berührende und grausame Momente - Allende als
moderne Krimiautorin
"Meine Mutter lebt noch, aber am Karfreitag um Mitternacht
bringt er sie um", versicherte Amanda Martín dem Chief
Inspector, (...)".
Mit diesem Anfangssatz ist Allende die Aufmerksamkeit des Lesers
sicher. Protagonistin ist die siebzehnjährige Amanda, die
überdurchschnittlich intelligent, schüchtern und
unangepasst ihren Weg geht. So verbringt sie ihre Freizeit nicht mit
typischen Hobbys, sondern bestürzt ihre
Eltern mit einem fanatischen Interesse an Morbidem. Ihre
Lieblingsbeschäftigung ist das Ripper-Spielen,
bei dem sie mit ein paar Jugendlichen und ihrem Großvater per
Web-Verbindung Morde aufklärt. Zu Beginn
waren diese Fälle erfunden, mittlerweile bringen die Ripper-Spieler
echte
Mörder zur Strecke und unterstützen so Amandas
Vater, Chief Inspector Bob Martín.
Indiana, Amandas Mutter, lebt ihre Leidenschaft im Heilen von Menschen
aus und versucht nebenbei ihr Liebesleben zu ordnen.
Schon seit längerer Zeit halten mehrere mysteriöse
Mordfälle in Amandas Heimatstadt San Francisco die
Jugendlichen auf Trab und fordern ihre ganze Aufmerksamkeit. Eine ganz
andere Dimension bekommt dieses Spiel jedoch, als plötzlich
Amandas Mutter verschwindet und ebenfalls Mordopfer zu werden scheint.
Spätestens hier wird die tiefe Mutter-Tochter-Bindung
greifbar, und Amanda setzt alles daran, den Mörder zu stellen.
Hilfe hat sie dabei nicht nur von ihrem Großvater und einigen
Freunden Indianas, sondern unglücklicherweise auch vom
Mörder höchstpersönlich, der mit den
Menschen wie mit Schachfiguren spielt - mit äußerst
verheerenden Folgen ...
Auf gekonnte, beeindruckende, spannende und fantastische Weise
entwickelt die Autorin die Handlung und die darin vorkommenden
Charaktere auf den Anfangssatz hin. Dieser lässt auch schon
vermuten, dass "Amandas Suche" nicht in Allendes bekanntes Romanschema
passt.
In für sie untypischer Manier schreibt sie einen
Kriminalroman, der im San Francisco der Gegenwart spielt und eine
jugendliche Protagonistin hat. Typisch Allende sind jedoch nach wie vor
die grandiose Handlung, der vereinnahmende Schreibstil, die
beeindruckenden Charaktere und die ungetrübte Lust an der
Lektüre - ein Prototyp von einem Buch.
Allende bietet wie immer ein reichhaltiges, vielfältiges
Repertoire an Handlungssträngen, Perspektiven, Charakteren und
Ideen. Am faszinierendsten ist wohl ihre Fähigkeit, dem Leser
Charaktere vertraut scheinen zu lassen, um ihn im nächsten
Moment mit unerwarteten Wendungen völlig zu bestürzen
und am eigenen Urteilsvermögen zweifeln zu lassen.
Spannung, Empathie
und Verachtung sind nur einige der Gefühle, die der Leser
dabei durchlebt. In einem Netzwerk aus Hinweisen und
Verdächtigungen darf der Leser mitermitteln und mitfiebern.
Doch selbst wenn man glaubt, die Lösung zu haben,
weiß Allende kunstvoll noch eine Steigerung
hinzuzufügen.
Nicht zuletzt und wie nebenbei bringt Isabel Allende den Leser mit
einem Augenzwinkern zum Schmunzeln oder lässt es ihm kalt den
Rücken hinunterlaufen. Aufgrund genauer Schilderungen von Leichen, Morden
und psychopathischen Verhaltensweisen ist "Amandas Suche" jedoch nicht
für jede Altersstufe zu empfehlen.
Fazit:
Ein unglaublicher Genuss, der viel zu schnell vorbei ist.
(Alexandra Gölly; 09/2014)
Isabel
Allende: "Amandas Suche"
(Originaltitel
"El juego de Ripper")
Aus
dem Spanischen von Svenja Becker.
Suhrkamp, 2014. 476 Seiten.
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