Tanja Maljartschuk: "Biografie eines zufälligen Wunders"


Alltagsheldin mit einem Hang zu außergewöhnlichen Wundern

Lena wächst in der unabhängigen Ukraine in San Francisco auf, in der die Feindschaft gegenüber dem Sozialismus schwer auf den Schultern liegt. Trotzdem - Lena beharrt auf der russischen Version ihres Namens. Die Menschen in Lenas Umgebung haben eines gemeinsam: Sie sind von ihrem Schicksal geprägt. So wie Lena geprägt wird von ihrer Großmutter, von ihrer russischen Lehrerin, die nicht Russisch sprechen darf, von Hund, ihrer besten Freundin aus Kindertagen, von den Ungerechtigkeiten, die sie mitansehen muss. Auch wenn Lena nicht so richtig weiß, wie ihre Zukunft aussehen soll, sie weiß, dass sie etwas bewirken will. Wie geht dies einfacher, als mithilfe einer Zeitungsannonce, in der Lena Wunder aller Art anbietet. Doch dann finden die zufälligen Wunder Lena. Da ist Teofil Karnickel, den eine Frau im rot-gelben Kopftuch vor einem Zug rettet. Dann ist da Shenya. Geschlagen und geprügelt, rettet sie die Frau mit dem Kopftuch vor ihrem mordlüsternen Enkel und fliegt in die Nacht. Und schließlich Hund, die die Frau vor dem Erfrieren rettet und sie nach einem nächtlichen Flug vor dem Krankenhaus absetzt. Auch wenn die fliegende Frau ein Rätsel für Lena bleibt: Lena kämpft. Sie kämpft für die Straßenhunde und für Hund. Sie kämpft einen vergeblichen Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch in San Francisco.

Die Protagonistin in Tanja Maljartschuks Roman ist eine außergewöhnliche Frau, wie sie einem nur selten begegnet. Ohne sich dessen bewusst zu sein, bewirkt sie täglich Wunder. Jedem Menschen, dem sie begegnet, hinterlässt sie einen Teil ihres Mutes und ihrer Stärke. Lena bewegt alle um sich herum. Sie scheint immer zu wissen, was zu tun ist. Sie scheint die Menschen um sich herum zu durchschauen und ihnen all die Hilfe zu bieten, die sie nur kann. In einer dunklen Zeit, im Moment der größten Verzweiflung, präsentiert Lena die wichtigsten Zutaten für ein Wunder: Ehrlichkeit, Mut, Stärke, Tatendrang und auch ein kleines bisschen Naivität.

Der Leser kann nicht umhin, die Protagonistin zu lieben. So seltsam und kurios sie einem erscheint, genauso mutig ist sie in ihren Handlungen. Mit Humor und einem Hang zur Ironie ausgestattet, ist ihre einzige Waffe gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt ihr großes Herz. Lena ist ein Alltagssuperheld, den niemand bändigen kann. Vielleicht leidet sie tatsächlich am Rettersyndrom. Allerdings macht sie dieses Syndrom zur außergewöhnlichen Heldin dieses Romans.

Tanja Maljartschuk schildert diese Geschichte mit unglaublichem Humor. Seite für Seite bringt sie den Leser zum Lachen. Auf 280 Seiten schafft sie ein außergewöhnliches Puzzle, das erst mit dem letzten Satz komplett ist. Gekonnt spinnt sie die Geschichte um Lena. Sie stellt dem Leser die Charaktere mit Ironie und Feingefühl vor und scheut weder vor Sarkasmus noch schwarzem Humor zurück. Dieses Buch erzählt nicht nur Lenas Geschichte, sondern auch die Geschichte jeder einzelnen Figur, der man auf den Seiten begegnet. Bis schlussendlich für einen überwältigten Leser jedes Wunder am Ende des Buches einen Sinn ergibt.

Die Autorin hat diese Geschichte unglaublich geschickt eingefädelt. Sie ist humorvoll und überwältigend gefühlvoll und trotzdem rational. Dieser Roman bietet dem Leser eine ganze Palette von Emotionen, während er Wort für Wort verschlingt. Der Roman ist unglaublich faszinierend und genial.

(Sabrina Brugner; 09/2013)


Tanja Maljartschuk: "Biografie eines zufälligen Wunders"
Aus dem Ukrainischen übersetzt von Anna Kauk.
Residenz Verlag, 2013. 280 Seiten.
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Tanja Maljartschuk wurde 1983 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine, geboren. Sie schloss an der dortigen Prykarpattia National Universität ein Philologiestudium ab, arbeitete einige Jahre als Journalistin bei den verschiedensten Fernsehsendern in Kiew.