Meister Chian Zettnersan: "Taoistische Schlafzimmergeheimnisse"

Tao Chi-Kung
Altchinesische Grundlagenmedizin für Gesundheit und Langlebigkeit
Von der tiefen sexuellen Weisheit der Liebe


Während die buddhistische Tradition in ihren Lehren gern auf Enthaltsamkeit und Entsagung setzt, versuchen Daoisten sehr oft - wenn auch nicht immer -, alle Aspekte des Lebens und Fühlens in ihre Arbeit zu integrieren. Damit gehören auch die Sexualität und der Umgang damit zu den Themen, mit denen sie sich in philosophischer und sehr realer Art und Weise auseinandersetzen.

Das Buch bietet zunächst eine historisch-philosophische Hinführung zum Thema, bevor in einem längeren Kapitel Betrachtungen zur Ästhetik der Sexualorgane, erotischer Partnermassage, Masturbation und der Passung von Penis und Vagina und der Erektion angestellt werden. Hierbei erfährt man Amüsantes zum Zusammenhang zwischen Erektionswinkel und biologischem Alter eines Mannes.

Eine Grundlage der Gesunderhaltung und Verbesserung des allgemeinen Zustandes und des Genusses von Sex bildet die Tao-Chi-Kung-Übung des Hirsches, von der im Buch die männliche und die weibliche Variante mit ihren Indikatoren und Anwendungsbreichen dargestellt werden. Dabei sind alle Erklärungen, wie auch in den anderen Übungsbeschreibungen, sehr anschaulich und auch mit passenden Zeichnungen bzw. Fotos illustriert.

Das nächste größere Kapitel beschäftigt sich mit dem Tao-Chi-Kung als Übungsabfolge zur Prophylaxe, Heilung und Rehabilitation, wobei Qigong-Praktizierende aus anderen Bereichen hier Varianten von Bekanntem wiederfinden werden, was beim "Ur-Qigong" eigentlich ganz natürlich sein dürfte.

Danach wird auf die Prostata eingegangen und darauf, wie und mit welchen Übungen man ab dem 40. Lebensjahr deren Funktion und Form erhalten kann, wobei die Ausführungen zur Injakulation zunächst erst einmal bis zur Überprüfung der Techniken sehr befremdlich wirken dürften. Hierauf schließt sich direkt eine Betrachtung von Biorhythmen bei Männern und Frauen an und eine weitere zur Ejakulation. Ähnlich wie in dem Abschnitt über Masturbation erinnert dies ein bisschen an alte Schauergeschichten über Masturbation und darüber, was sie an Körper, Seele und Verstand eines Menschen anrichtet.

Das darauffolgende Kapitel geht auf die daoistisch geprägte Durchführung des Geschlechtsaktes ein, die wie alle Übungsanleitungen sehr anschaulich gestaltet ist. Allerdings wirkt der abschließende Abschnitt über Penis- und Vaginaproportionen ein wenig unpassend und ist im Übrigen eine Wiederholung; auch hinsichtlich einiger Abbildungen - von bereits zuvor im Buch Gesehenem.

Das letzte Kapitel geht kurz auf die Bedeutung des Speichels in der traditionellen chinesischen Medizin ein und auf die spezielle chinesisch-daoistische Form der Zahnpflege. Dieses Kapitel ist wiederum sehr anschaulich, und es wird allerlei Hilfreiches vermittelt.

Wie es bei Vertretern alternativer Behandlungsmethoden oft der Fall ist, neigt auch der Autor Zettnersan dazu, Aspekte der "Schulmedizin" pauschal zu verteufeln und dafür die von ihm vertretenen Behandlungswege besonders hervorzuheben. So macht er in dem Kapitel zur Behandlung von Prostataproblemen sehr pauschalisierende Aussagen über Medikamente der "Schulmedizin" und stellt diesen die angeblich nebenwirkungsfreien Kräuterrezepturen der traditionellen chinesischen Medizin gegenüber. Und dies sollte man wirklich kritisch sehen, denn traditionell ausgebildete Ärzte von einiger Qualität testen auch in bestimmten Fällen eine Rezeptur bei einem gegebenen Patienten und passen sie später beim Auftreten von Nebenwirkungen der Situation an. Pauschale Aussagen, wie die hier im Buch gemachten, sind deswegen problematisch und erschweren zudem den meist sehr fruchtbaren Austausch zwischen traditioneller chinesischer Medizin und Medizin der westlichen Tradition.

Auch die Aussage, "die Männer im Osten, welche die Auswirkung von zuviel Sex sehr ernst nehmen" (S. 217), erscheint seltsam, wenn man an Nashorn- oder Tigerknochenpulver denkt, oder schon einmal in Beijing durch die große Apotheke gegangen ist und dort in der ersten Etage die Vielzahl an Präparaten zur Potenzsteigerung gesehen hat, für die man - nicht nur in China übrigens - Unsummen ausgibt. Im Übrigen fehlen bei dem weiten Spektrum des Buches und dem einen oder anderen bezugsfreien Kapitel, wie zur Lustzufriedenheit von Deutschen, Franzosen und Schweizern, Aussagen zur Homosexualität, die in der heutigen Zeit sicherlich für viele Leser von Interesse gewesen wären.
Insgesamt stellt das Buch eine etwas durchwachsene Lernerfahrung dar, wobei allerdings die meisten Übungsanweisungen, z.B. zum Tao-Chi-Kung, zu den Hirschübungen und zur Partnerarbeit, wirklich sehr hilfreich sind.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2010)


Meister Chian Zettnersan: "Taoistische Schlafzimmergeheimnisse"
Windpferd, 2002. 276 Seiten.
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