Elisabeth Jupiter: "No, warum nicht?"
Der jüdische Witz als Quelle der Lebenskunst
"Humor ist niemals
sadistisch, sondern eine Einstellung dem Leben gegenüber, mit dem
Ziel, Leid abzuwenden." (Elisabeth Jupiter)
Es gibt die typischen Schenkelklopferwitze, die meist auf Kosten anderer
Menschen gehen. Aber kann da überhaupt noch von "Witzen" die Rede sein?
Wenn Nichtjuden über Juden Witze machen, bleibt der Antisemitismus
selten ausgespart. Juden wissen Bescheid über die Vorurteile, denen sie
ausgesetzt sind. Progressive und liberale Juden sind bemüht, mit
Menschen anderer Religionszugehörigkeit den Dialog zu suchen und zu
erweitern. In den Medien werden immer wieder fundamentalistische Juden
ins Bild gesetzt. Für Nichtjuden, die gerne Vorurteile in sich aufbauen,
ein gefundenes Fressen. Durch die Gleichsetzung des Judentums mit Israel
existiert ein weiterer unsinniger Aspekt, der das Verhältnis zwischen
Nichtjuden und Juden stört.
Das vorliegende Büchlein über den jüdischen Witz setzt sich mit
Vorurteilen auseinander, allerdings von der "anderen Seite". Im
jüdischen Witz nämlich hat sich herauskristallisiert, dass der
spielerische Umgang mit den Vorurteilen, die Nichtjuden Juden gegenüber
in sich verankert haben, eine befreiende Wirkung hat. Der jüdische Witz
macht sich nicht über Andersgläubige lustig, sondern setzt die eigenen
Unzulänglichkeiten in den Fokus. Juden haben schon soviel in der
Menschheitsgeschichte durchleiden müssen, dass es umso bemerkenswerter
ist, wie sie mit diesem Umstand umgehen.
1950 kommt Kohn aus London nach
Wien zurück. Angekommen am Westbahnhof, muss er dringend auf die
Toilette, also fragt er einen Mann. "Waren Sie ein Nazi?" - "Nein, nie
im Leben war ich ein Nazi. Wie kommen Sie denn darauf?"
Kohn geht weiter, fragt den Nächsten: "Waren Sie ein Nazi?" - "Ich,
nie, wir haben sogar Juden versteckt."
Kohn geht weiter und fragt den dritten: "Waren Sie ein Nazi?" - "Ja,
ich war einer, ich bin einer und ich werde immer ein Nazi bleiben!"
"Endlich a ehrlicher Mensch! Bitte passen Sie mir kurz auf meinen
Koffer auf!"
Elisabeth Jupiter, die ihre Lieblingswitze nicht einfach nur
aufgeschrieben, sondern darüber hinaus eine tiefergehende Analyse der
Hintergründe des jüdischen Witzes eingebracht hat, überzeugt mit
persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen, aus denen sie schöpfen kann.
Sie erwähnt nicht zufällig
Sigmund Freud und
Viktor Frankl im Zusammenhang mit den Themata Witz und Humor.
Das eigene Leben nicht zu ernst zu nehmen, eine gesunde Distanz zu den
eigenen Problemen aufzubauen, ist der erste Schritt zu einem
ausgeglichenen Leben. Wer immer nur sich selbst und seine Probleme im
Fokus hat, macht aus sich selbst einen pathologischen Fall. Was nicht
heißt, dass jeder Mensch ausschließlich selbst Schuld an seinen
Problemen hat. Doch die übertriebene Bedeutung, die der Mensch eigenen
Problemen überstülpt, führt selten aus der Problemzone hinaus. Die
Abwendung von Leid durch den Witz ist eine Chance, die leicht
wahrgenommen werden kann. Damit sprengt der jüdische Witz die Grenzen zu
den Andersgläubigen. Wenn in seltenen Fällen andere Religionen auf die
Schaufel genommen werden, dann immer auf liebenswerte Art und Weise.
Moische fragt seinen Vater, warum Christus
denn eigentlich gekreuzigt und nicht ertränkt worden sei. Die Antwort:
"No, stell dir vor, wie das ausschaut, in jeder Kirche ein Aquarium!"
Die eigenen Schwächen und Eigenarten sind das Eine. Anderen Menschen mit
Vorurteilen zu begegnen das Andere. Es schadet nie, individuelle
Fehlerhaftigkeit zuzugestehen. Oder glauben Sie, nur Juden hätten die
Geschäftstüchtigkeit gepachtet? Na eben.
(Al Truis-Mus; 09/2010)
Elisabeth Jupiter: "No, warum nicht? Der
jüdische Witz als Quelle der Lebenskunst"
Picus Verlag, 2010. 116 Seiten.
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