Russ Harris: "Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei"

Ein Umdenkbuch


Die Zahl der unglücklichen Menschen muss in den letzten Jahren rapide zugenommen haben, wenn man sie an den wie Pilze aus dem Boden schießenden Glücksratgebern misst. Oder andersherum wird ein Schuh daraus: die sich suchtartig verbreitende Gier nach dem perfekten Glück, dem absoluten Leben, dem nichts fehlt, erfasst immer mehr Menschen.

Anders kann ich mir die langsam unübersichtlich werdende Glücksratgeberliteratur nicht mehr erklären. Dabei sind die Bücher wie das vorliegende meistens von erfahrenen Psychotherapeuten verfasst, die durchaus wissen, wovon sie schreiben, und deren Ratschläge meistens Hand und Fuß haben.

"Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei" - die Weisheit, die das Buch von Russ Harris, einem 1966 geborenen australischen Therapeuten, vermitteln will, ist so alt wie das Nachdenken über das Glück selbst. Zum Umdenken will es einladen. Natürlich braucht es, um unverwechselbar zu werden, auch eine neue Theorie bzw. Therapie, mit der man dann eine Schule gründen und neue Schüler gegen gutes Geld ausbilden kann.
Harris nennt seine "Erfindung" die "Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)" und füllt damit bestenfalls neuen Wein in alte Schläuche.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die Vorschläge von Russ Harris sind sinnvoll und auch praktikabel, aber man hat sie alle schon einmal woanders gelesen.
Ein Verdacht, der sich mir schon lange aufdrängt, sei hier aber noch einmal formuliert: Je mehr die Tragfähigkeit der christlichen Religion in unserem Alltag nachlässt, nicht aber etwa, weil sie schwächer würde, sondern weil die Menschen sie einfach liegen lassen, desto größer wird der Bedarf an psychotherapeutischer Glücksratgeberliteratur. Diese Bücher werden allerdings niemals die heilende, erlösende und lebenssinnstiftende Wirkung erzielen wie der Glaube, weil sie letztlich alle von der unmenschlichen Überforderung ausgehen, dass der Mensch seines Glückes eigener Schmied sei. Welch eine unheimliche Last. Ich möchte sie in meinem Leben nicht tragen.

(Winfried Stanzick; 01/2010)


Russ Harris: "Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei. Ein Umdenkbuch"
Kösel, 2009. 313 Seiten.
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