Kerstin Ekman: "Hundeherz"
Schon in ihrem 2009 bei
Piper erschienenen großen Werk "Der
Wald.
Eine literarische Wanderung" hat sich die bedeutende schwedische
Autorin Kerstin Ekman als eine genaue, sensible und aufmerksame
Beobachterin der Natur gezeigt. Wer damals dieses dicke Buch in die
Hand nahm, konnte leicht in den vielen literarischen Annäherungen und
Wanderungen versinken, zu denen sie den Leser mitnahm.
Auch "Hundeherz", in Schweden schon anno 1986 erstmals veröffentlicht,
nimmt den Leser sofort mit auf den Weg in die Natur und zum Schicksal
eines Lebewesens. "Hundeherz" ist die berührende und doch niemals
kitschig wirkende Geschichte eines kleinen Hundes. Als winziger Welpe
geht er seiner Mutter verloren, als diese ihn nach der Jagd mit ihrem
Herrn nicht mehr wiederfindet. Der kleine Hund, Ekman nennt ihn in der
Folge "den Grauen", findet sich "zusammengerollt, die
Schnauze unter dem Schwanz" unter einer Fichtenwurzel. Er weiß
nichts, hat keine Erinnerung, und seine natürlichen Instinkte sind noch
nicht vollständig erwacht. Er sieht einem sicheren Tod entgegen, von dem
nach einer langen Suche schließlich auch sein Herr und dessen Frau
überzeugt sind. Die Luft ist schneidend kalt, der Schnee hoch, und das
kleine Hundeherz flattert wie ein Vogelflügel gegen die Kälte und Nässe.
Es ist glücklicher Zufall,
der ihn kleine Nahrungsreste von anderen Räubern des Waldes finden
lässt, Zufall, dass die Höhlen, die er sich erschöpft zum Schlaf sucht,
so geschützt sind, dass ihn weder ein Greifvogel noch ein Fuchs wittern
kann. Bald erwacht sein Jagdinstinkt, und er wird sich in der Folge
hauptsächlich von jungen Mäusen
ernähren, deren Nester er ausraubt.
Kerstin Ekman begleitet den größer, stärker und mutiger werdenden Hund
durch den ausgehenden Winter, den Frühling und Sommer und verbindet
diese Reise mit wunderschönen und poetischen Beschreibungen der Natur,
der Pflanzen und Lebewesen, denen der Hund auf seinen Erkundungen
begegnet, deren Radius immer größer wird.
Der nächste Winter steht schon fast vor der Tür, als den Hund eine
innere Unruhe ergreift, die ihn auf die Suche nach etwas treibt, das er
nicht kennt, woran er keine Erinnerung mehr hat. Und doch ist es wie
eine blinde Fotografie in sein Gehirn eingebrannt. Lange ist der Leser,
der atemlos das Schicksal des Hundes begleitet, unsicher, ob es die
Suche nach einer Partnerin ist, oder ob er die Menschen sucht.
Als er kurz darauf die Witterung anderer
Hunde aufnimmt, die mit ihren Menschen nach Elchen jagen, ist
alles klar.
Nach langen Tagen der Beobachtung der Szene nähert er sich dem Lager der
Jäger,
da sieht ihn ein Mann und erkennt ihn.
Die lange Tage dauernde Annäherung des Mannes an den Grauen ist das
schönste Stück Literatur, das der Rezensent seit Langem gelesen hat,
eine Ode an das Leben und das Vertrauen in seine Kraft.
Die Geduld des Mannes zahlt sich aus, der Hund wird sich irgendwann
anfassen lassen und später auf viele Jahre ein Jagdhund, erfahren und
mutig, wie der Mann noch nie einen hatte.
"Auch im Haus war er wachsam. Oft hatten seine Leute den Eindruck, er
sitze da und horche auf etwas Unbekanntes. Sie wussten nicht, was das
sein mochte.
Sie legten ihm die Hand auf den Kopf und sagten etwas zu ihm, doch er
wich aus und setzte sich irgendwohin, wo er ungestört Wache halten
konnte.
Er blieb in seinem Warten allein.
So endet die Geschichte. Niemand weiß, worauf er horchte und was er
erlebt hatte dort draußen, wo niemand ihn hatte sehen können.
Niemand weiß, ob es für das, worauf er wartet, überhaupt ein Wort
gibt."
Aber es lohnt, danach zu suchen. Kerstin Ekman hat es in bewundernswert
poetischer Weise getan und dem Leben
und seiner unvergleichlichen Schönheit und Anmut ein Liebeslied
gesungen.
(Winfried Stanzick; 03/2010)
Kerstin Ekman: "Hundeherz"
(Originaltitel "Hunden")
Aus dem Schwedischen von Hedwig M. Binder.
Gebundene Ausgabe:
Piper, 2010. 127 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Piper, 2012.
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Ein weiteres Buch der
Autorin:
"Schwindlerinnen"
Hintergründig und leicht: der Roman der Grande Dame der schwedischen
Literatur.
"Schwindlerinnen" erzählt die tragikomische Lebensgeschichte der
gefeierten Schriftstellerin Lillemor Troj: Auf dem Gipfel ihres Ruhms
droht ihre Freundin Babba damit, der Welt zu verraten, wer Lillemors
Romane wirklich geschrieben hat ... Hoch ironisch, klug und amüsant!
Lillemor Troj, die gefeierte 80-jährige Schriftstellerin, sitzt bei
ihrem verblüfften Verleger: Er will nicht glauben, dass sie einen
Unterhaltungsromanvorgelegt hat. Lillemor selbst aber kennt das
Manuskript noch gar nicht - denn wieder hat es ihre jahrzehntelange
Freundin Babba geschrieben, wie alle anderen Bücher auch. Nur diesmal
enthält es die ungeschminkte, boshafte Wahrheit über die große Autorin
Lillemor Troj. Es ist die Geschichte der beiden Frauen, ihrer Schwächen
und Verletzungen - und natürlich ist es die Chronik ihres großen Betrugs
...
Kerstin Ekman nimmt sich selbst und die vornehme Welt der Literatur
aufs Korn, wenn sie von der großen Abrechnung der beiden Frauen erzählt,
von Aufrichtigkeit und Lügen, Einsamkeit und Nähe, Einbildung und
Wirklichkeit. (Piper)
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