Maxim Biller: "Der gebrauchte Jude"
Selbstporträt
Billers
autobiografisches Buch erzählt wie ein Roman die tragikomische
Geschichte eines Juden
Maxim Biller bleibt sich auch in "Der gebrauchte Jude" treu und macht es
seinen Lesern schwer. Denn sein autobiografisch angelegtes
"Selbstporträt" ist voller Spott, voller Ironie und lässt an kaum etwas
ein gutes Haar. Vielleicht am wenigsten am Autor selbst, der sich als
einen "gebrauchten Juden" beschreibt, sich aber eben oft auch
als solcher gebrauchen lässt.
Die Darstellung seiner Lebensgeschichte ist interessant zu lesen. Manche
bisher nur als Bruchstücke bekannten Informationen über diesen
umstrittenen und immer streitbaren Autor fügen sich nun zusammen.
Ähnlich wie in seinem verbotenen Roman "Esra"
gibt es auch hier viele Anspielungen kritischer Art etwa auf noch dort
arbeitende Kollegen, denen er während seiner Tätigkeit für die
Wochenzeitung "DIE ZEIT" begegnet ist; Ulrich
Greiner zum Beispiel und Theo Sommer.
Betroffen hat mich sein über lange Jahre währender Versuch gemacht, den
großen Marcel
Reich-Ranicki, den er auf seine eigene uneingestandene Art
bewundert, davon zu überzeugen, dass auch er ein gebrauchter Jude sei.
Doch Reich-Ranicki wehrt ab, will über sein Judesein nicht sprechen.
Biller erzählt Geschichten aus der jüdischen Gemeinde und Kultur
Frankfurts und Berlins, die nur für Eingeweihte wirklich zu verstehen
und nachzuvollziehen sind. Vielleicht sind sie gerade für dieses
Zielpublikum geschrieben.
Irgendwann gegen Ende des Buches macht Biller deutlich, worum es ihm bei
seiner Selbstauskunft geht:
"Ich will nicht Jude sein, weil man mich als Juden sieht. Ich will
Jude, Mann, Schriftsteller sein, weil ich es bin. Aber wie macht man
das, wenn man wegen seines Kommunistenvaters nicht an Gott glaubt und
aus Trotz gegen dessen späte zionistische Bekehrung nicht in Israel
lebt? Früher bekamen Leute wie ich vom Fürsten einen Schutzbrief -
damit konnten sie unter den Christen leben, und keiner tat ihnen was,
meistens nicht, und sie hatten es auch noch schriftlich, dass sie
direkt aus Ur in Chaldäa nach Europa gekommen waren."
So, wie einen dieser zunächst auch emotional nachvollziehbare Satz
anspricht, dann aber mit seiner Drehung ins Ironische und in den Spott
sehr irritiert, erging es mir an vielen Stellen dieses Buches, an denen
ich mich fragte, was von der berechtigten Kritik Billers auch
selbststilisiertes Gehabe ist. Er gefällt sich in seinem Außenseitertum,
und ich glaube, er will gar nicht, dass er selbst oder irgendetwas, das
er schreibt, irgendjemandem tatsächlich nahe kommt. Mir jedenfalls ist
er als Mensch fremd geblieben, und ich habe mich oft gefragt, was Maxim
Biller denn nun eigentlich sagen und worauf er hinaus will.
(Winfried Stanzick; 01/2010)
Maxim Biller: "Der gebrauchte Jude.
Selbstporträt"
Kiepenheuer & Witsch, 2009. 180 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
Parlando Edition Christian Brückner, 2009.
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