Zoran Živković: "Das letzte Buch"


Skurriler Thriller

Sonderlich aufregend verspricht die Untersuchung nicht zu werden, die der literaturinteressierte Kommissar Lukić in einer Buchhandlung vornehmen muss, auch wenn es dabei um einen Todesfall geht; ein alter Mann ist einfach beim Lesen eines Buchs gestorben.
Eine natürliche Todesursache, so scheint es, nur lässt sich trotz aller Bemühungen des Pathologen keine Todesursache feststellen, kein Infarkt, nichts.
Man könnte diesen eigenartigen Fall, der so offensichtlich keiner ist, leicht in einer Akte verstauben lassen, doch es kommt in und um die Buchhandlung rasch zu weiteren rätselhaften Todesfällen ohne erkennbare Ursache. Lukić fühlt sich an den Roman "Der Name der Rose" erinnert.

Seine Aufgabe fällt ihm nicht leichter, als sich die Besitzerin der Buchhandlung in ihn verliebt und umgekehrt. Die beiden kommen einander bei einer Tasse Feigentee in einem eigenartigen Teehaus näher, dessen Besitzer mehr zu wissen scheint, als er dürfte. Dann schaltet sich der Geheimdienst in die Ermittlungen ein, und spätestens zu dieser Zeit zeigt sich, dass offensichtlich ein Buch mit den Todesfällen zu tun hat. Wurden seine Seiten tatsächlich vergiftet? Und wie soll man ein einzelnes Buch in einer Buchhandlung finden, von dem man lediglich weiß, dass es existiert und beim Aufschlagen eine tödliche Wirkung entfaltet? Lukić stellt sich den Herausforderungen und begibt sich in Lebensgefahr, als er einer verheißungsvollen Spur folgt und dabei nicht nur einen rätselhaften Geheimbund, sondern auch den ihm übergeordneten Geheimdienst gegen sich aufbringt.

Ein Thriller? Ein Liebesroman? Die Genres verwischen bei Zoran Živković, dessen Romane wie kunstvolle Fotomontagen wirken; nur werden hier Handlungen und nicht Bilder verfremdet und auf skurrile Weise zusammengesetzt.
Der Autor erzählt schnörkellos, in eingängigem Stil, aber die Handlung gleitet rasch ein wenig ins Absurde ab. Živković spielt mit der Möglichkeit des Übersinnlichen, ohne sich allzu sehr darauf einzulassen, denn ihm geht es vor allem um eine spannende, rätselhafte Geschichte und um eine Geschichte in dieser Geschichte, um die Bedeutung von Literatur, auch Kriminalliteratur (die Übersetzerin spricht hartnäckig von "Detektivromanen"); nicht umsonst findet man diverse Anspielungen auf Umberto Ecos "Der Name der Rose".

Humor mit nicht selten pechschwarzer Färbung zieht sich durch das Buch wie ein roter Faden. Trotzdem ist es nicht unbedingt der Sarkasmus, an den man sich nach der Lektüre erinnert, sondern mindestens ebenso die aparte Liebesgeschichte, deren Entwicklung der Leser verfolgt, beginnend und endend mit Feigentee in einer höchst seltsamen Teestube, der im Roman ebenfalls eine besondere Bedeutung zukommt.
Tote, Polizisten, Pathologen, Verdächtige, mögliche Motive - die Zutaten zu einem klassischen Krimi liegen vor. Živković macht daraus eine skurril-groteske Geschichte, ein apartes Liebesdrama, eingebettet in einen etwas übersinnlichen Krimi.

Der Schluss, vielmehr die Auflösung, mag etwas unbefriedigend wirken. Insgesamt aber bietet "Das letzte Buch" spannende Unterhaltung und letztlich einen Anreiz dazu, sich kritisch mit der Literatur auseinanderzusetzen, die im Allgemeinen gar nicht so weit vom so genannten wahren Leben entfernt ist.

(Regina Károlyi; 11/2008)


Zoran Živković: "Das letzte Buch"
Aus dem Serbischen von Astrid Philippsen.
dtv, 2008. 223 Seiten.
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