Eckehard Pistrick: "Versteckte Stimmen"


"Versteckte Stimmen" oder "Wenn beim Fünfjahresplanlied der Streit über die Singbarkeit ausbricht"

Der 1980 in Quedlinburg geborene Eckehard Pistrick (der in Halle Musikwissenschaften, Geschichte und Kunst studiert hat) hat mit "Versteckte Stimmen" einen überaus interessanten und unterhaltenden musikalischen Reisebericht veröffentlicht.

Musikalische Eindrücke, die ihn quer durch Albanien geführt haben.
Delvina, Borsh (wo der Bürgermeister Zako persönlich Marres vom Blatt singt), Finiq, Saranda, Starje (wo Liebes- und Hochzeitslieder vorgeführt werden), Agia Marina, Ktismata, Mursia (wo Kolo ein Trauerlied für seinen Bruder singt und der Autor mit Dorfkindern Fußball spielt), Xarra (mit Raki- Fabrik), Igoumenitsa, Konispol, Shalles, Tirana (mit Gewitter und Stadionbesuch) und Gjirokastra sind die Stationen dieser Forschungsreise, auf der Eckehard Pistrick ungeschminkte musikalische Schätze geborgen hat.

Die auf der beigelegten CD aufgenommenen Musikstücke sind Hochzeitslieder, Trinklieder, Liebeslieder, Totenklagen, Emigrationslieder und Tänze, die von Generation zu Generation überliefert wurden und von allen kommerziellen Versuchungen wunderbar unberührt sind. Diese CD ist auch das Herzstück dieses literarisch-musikalischen Reisebuchs.
Eckehard Pistricks Reiseaufzeichnungen sind lakonisch formuliert, trockene Pointen und kurze Sätze prägen, wie auch ein permanentes Gefühl des literarischen Tiefstapelns, diesen Text, der sich als sehr sympathisches Porträt eines nahen, jedoch unbekannten Landes entpuppt.
Skurriler kafkaesker Alltag, irrwitzige Busfahrten durch die albanischen Berge, chaotische Kraterstraßen, türkisblaue Bauchtänzerinnen, Raki trinkende Taxifahrer, singende Bürgermeister und exotische dunkelhaarige Dorfschönheiten lassen dieses Buch zu einer interessanten und vergnüglichen Lektüre mit musikalischer Darbietung werden, meilenweit entfernt von herkömmlichem Ethnokitsch.

Auf der Rückseite von "Versteckte Stimmen" ist folgende Frage versteckt: "Bin ich in einem Kusturica-Film?"
Man ist geneigt, sofort zuzustimmen, merkt aber schnell, dass diese Lektüre in ihrer überzeugenden Natürlichkeit vielleicht noch eben um den kleinen Schritt origineller und echter ist.
Sicher ist jedoch, dass "Versteckte Stimmen" dem an Albanien interessierten Leser eine faszinierende Reise und einen vergnüglichen Abend verschafft.
Dass da eine kleine Flasche Raki zur klug dosierten Lesebegleitung nicht schaden kann, ist nur eine kleine Erwähnung nebenbei ...

(Roland Freisitzer; 11/2008)


Eckehard Pistrick: "Versteckte Stimmen"
edition decus - destinatio Verlag und Akademie, 2008. 48 Seiten mit Musik-CD.
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Weitere Buchtipps:

David Urquhart: "Im wilden Balkan. Vom Berg Olymp bis zur albanischen Adriaküste"

Eine Reise beginnend am Fuß des Berges Olymp, über Thessaloniki und die sagenumwobene Mönchsrepublik Athos, durch die Täler und Schluchten des wilden und gefährlichen Balkangebirges bis in die Provinzstadt Skutari.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor das Osmanische Reich, in seiner Blütezeit einer der mächtigsten Staaten der Weltgeschichte, mehr und mehr an innerer Kraft. Wichtige, an den Rändern gelegene Regionen wie etwa Ägypten erklärten ihre Unabhängigkeit, und insbesondere in Südosteuropa gelang es zahlreichen Volks- und Sprachgruppen immer besser, sich gegen die als bedrückend empfundene osmanische Oberherrschaft zur Wehr zu setzen. Auf ein großes allgemeines Interesse stieß dabei der mühevolle griechische Unabhängigkeitskampf, und nicht von ungefähr prägte man in Europa damals mit Blick auf den Orient das Wort vom "Kranken Mann am Bosporus". Allerdings waren sich die europäischen Nationalstaaten nicht einig darüber, wie man sich den Osmanen gegenüber nunmehr am besten zu verhalten hätte. Insbesondere England sah sich durch eine mögliche Ausdehnung der russischen Interessensgebiete bedroht, sodass man sich in London eher für den Erhalt des Reichs einsetzte, das sich unter Sultan Abdulmecid I. (1839-1861) und dessen auf das Allgemeinwohl hin ausgerichteten Reformen wieder festigen konnte. Zur besseren Beurteilung der Lage brachen wiederholt britische Gesandtschaften nach Konstantinopel auf, und auch Reisende sahen sich in den bedrohten Grenzregionen in teils offiziellem, teils inoffiziellem Auftrag nach den aktuellen politischen Gegebenheiten um. Im Jahr 1830 unternahm der Schotte David Urquhart eine solche Reise, die ihn von der Peloponnes über Mittelgriechenland und Thessaloniki nach Skutari/Skodar im heutigen Albanien führte. Der vorliegende Band hat Urquharts Erlebnisse vom Berg Olymp bis an die albanische Adriaküste zum Inhalt, eine Reise, die ihn, den begeisterten Freund und Bewunderer der türkischen Lebensweise, durch die eindrucksvollen, aber auch gefährlichen Täler und Schluchten des Balkangebirges führte. (Edition Erdmann)
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Andrzej Stasiuk: "Fado. Reiseskizzen"
Während seiner Fahrten durch Albanien hört Stasiuk den Fado. Melancholie und sanfter Trotz dieser Musik sind auch den 24 kurzen erzählerischen Meditationen eigen, die thematisch wie geografisch einen weiten Bogen schlagen: von Südpolen bis Montenegro, vom Blick durchs Vergrößerungsglas auf eine alte Karte, die bosnische Dörfer verzeichnet, bis zu den Reflexionen über die neue Mobilität als Flucht aus der eigenen Geschichte, dem eigenen Leben.
"Gibt es eine bessere Metapher für die Reise als eine brüchige Landkarte? Gibt es eine noblere Art der Reise als die auf den Spuren eines Schriftstellers, dessen Bücher man bewundert? So eine Reise ist eine Pilgerfahrt. Und die Pilgerfahrt ist ja nichts Anderes als die ältere Schwester der Reise als solcher. Reisen heißt leben. Jedenfalls doppelt, dreifach, mehrfach leben." (edition suhrkamp)
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Andreas Izquierdo: "König von Albanien"
1913, eine Irrenanstalt in Salzburg: Der Schausteller Otto Witte fasziniert seinen Arzt mit dem Bericht seiner Abenteuer. Gemeinsam mit seinem Freund Max Hoffmann schlug er sich in Istanbul mit allerhand dubiosen Geschäften durch. Als er die große Ähnlichkeit zu Prinz Halim Eddine bemerkte, der als Anwärter für den albanischen Thron gehandelt wurde, ergriff er seine Chance: Otto Witte wurde für wenige Tage König von Albanien, ließ Paraden abhalten, mobilisierte die albanische Armee und verfügte über einen eigenen Harem. Witte, der geniale Hochstapler und charmante Herumtreiber, erzählt dem Arzt seine Geschichte so farbenfroh und glaubhaft, dass der Arzt langsam daran zweifelt, wer nun krank ist und wer gesund.
Andreas Izquierdo erzählt in seinem Roman die Geschichte von Otto Witte aus Berlin, der in den 1920er- und 1930er-Jahren mit seiner Schaubude über die Jahrmärkte zog und seinem Publikum erzählte, König von Albanien gewesen zu sein. Ein fabelhafter Roman über ein ungewöhnliches, spektakuläres und verblüffend amüsantes historisches Ereignis. (Rotbuch Verlag)
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Christiane Jaenicke, Axel Jaenicke: "Albanisch - Wort für Wort"
Die Sprechführer der "Kauderwelsch-Reihe" orientieren sich am typischen Reisealltag und vermitteln auf anregende Weise das nötige Rüstzeug, um ohne lästige Büffelei möglichst schnell mit dem Sprechen beginnen zu können, wenn auch vielleicht nicht immer druckreif. Besonders hilfreich ist hierbei die Wort-für-Wort-Übersetzung, die es ermöglicht, mit einem Blick die Struktur und "Denkweise" der jeweiligen Sprache zu durchschauen.
Trotz vielfältiger landschaftlicher Schönheiten ist Albanien der Außenwelt noch immer recht unbekannt. Erst seit einigen Jahren öffnet sich das Land immer mehr und gibt dem bislang schwach entwickeltem Tourismus eine Chance. Somit gewinnt auch die albanische Sprache immer mehr an Bedeutung, die außer im Land selbst von weiteren drei Millionen im Ausland (besonders im Kosovo) lebenden Albanern gesprochen wird. Das Albanische vertritt, ohne lebende Verwandte, selbständig einen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie, ist jedoch durch benachbarte Sprachen spürbar beeinflusst worden. Leider ist es nicht ganz einfach zu erlernen und hält für den Sprecher einige Hürden, vor allem im grammatischen Bereich bereit.
Dennoch ist eine Verständigung in alltäglichen Situationen schon mit relativ einfachen Mitteln möglich, und es lohnt sich als Reisender auf jeden Fall, zumindest einige Grundkenntnisse im Albanischen zu haben. Selbst mit nur einigen kleinen Floskeln wird man von vielen Einheimischen schon freundlicher und offenherziger aufgenommen und hat eine Chance die stolzen Bewohner Albaniens von einer gänzlich anderen Seite kennenzulernen. (Reise Know-How Verlag)
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