In der Fremde
I
Es
treibt dich fort von Ort zu Ort,
Du weißt nicht mal warum;
Im Winde klingt
ein sanftes Wort,
Schaust dich verwundert um.
Die
Liebe, die dahinten blieb,
Sie ruft dich sanft zurück:
O komm zurück, ich
hab dich lieb,
Du bist mein einzges Glück!
Doch
weiter, weiter, sonder Rast,
Du darfst nicht stille stehn.
Was du so sehr
geliebet hast
Sollst du nicht wiedersehn.
II
Du
bist ja heut so grambefangen,
Wie ich dich lange nicht geschaut.
Es perlet
still von deinen Wangen,
Und deine Seufzer werden laut.
Denkst
du der Heimat, die so ferne,
So nebelferne dir verschwand?
Gestehe mir´s,
du wärest gerne
Manchmal im teuren Vaterland.
Denkst
du der Dame, die so niedlich
Mit kleinem Zürnen dich ergötzt?
Oft zürntest
du, dann ward sie friedlich,
Und immer lachtet ihr zuletzt.
Denkst
du der Freunde, die da sanken
An deine Brust, in großer Stund?
Im Herzen
stürmten die Gedanken,
Jedoch verschwiegen blieb der Mund.
Denkst
du der Mutter und der Schwester?
Mit beiden standest du ja gut.
Ich glaube
gar es schmilzt, mein Bester,
In deiner Brust der wilde Mut!
Denkst du der
Vögel
und der
Bäume
Des schönen Gartens, wo du oft
Geträumt der Liebe
junge Träume,
Wo du gezagt, wo du gehofft?
Es
ist schon spät. Die Nacht ist helle,
Trübhell gefärbt vom feuchten Schnee.
Ankleiden
muß ich mich nun schnelle
Und in Gesellschaft geh´n. O weh!
III
Ich
hatte einst ein schönes Vaterland.
Der
Eichenbaum
Wuchs
dort so hoch, die
Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.
Das küßte mich auf deutsch, und sprach auf deutsch
(Man glaubt es kaum
Wie gut es klang) das Wort: "Ich
liebe dich!"
Es war ein Traum.
(Heinrich Heine; 13.12.1797 - 17.2.1856)