Am Bodensee
Über
Gelände, matt gedehnt,
Hat Nebelrauch sich wimmelnd gelegt,
Müde, müde
die Luft am Strande stöhnt,
Wie ein Roß, das den schlafenden Reiter trägt;
Im Fischerhause kein Lämpchen brennt,
Im öden Turme kein
Heimchen
schrillt
Nur langsam rollend der Pulsschlag schwillt
In dem
zitternden Element.
Ich
hör' es wühlen am feuchten Strand,
Mir unterm Fuße es wühlen fort,
Die
Kiesel knistern, es rauscht der Sand,
Und Stein an Stein entbröckelt dem Bord.
An meiner Sohle zerfährt der Schaum,
Eine Stimme klaget im hohlen Grund,
Gedämpft,
mit halbgeschlossenem Mund,
Wie des grollenden Wetters Traum.
Ich
beuge mich lauschend am Turme her,
Sprühregenflitter fährt in die Höh',
Ha,
meine Locke ist feucht und schwer!
Was treibst du denn, unruhiger See?
Kann
dir der heilige Schlaf nicht nahn?
Doch nein, du schläfst, ich seh' es genau,
Dein Auge decket die Wimper grau,
Am Ufer schlummert der Kahn.
Hast
du so Vieles, so Vieles erlebt,
Daß dir im Traum es kehren muß,
Daß dein
gleißender Nerv erbebt,
Naht ihr am Strand eines Menschen Fuß?
Dahin,
dahin! die einst so gesund,
So reich und mächtig, so arm und klein,
Und
nur ihr flüchtiger Spiegelschein
Liegt zerflossen auf deinem Grund.
Der
Ritter, so aus der Burg hervor
Vom Hange trabte in aller Früh; —
Jetzt
nickt die Esche
vom grauen Tor,
Am Zwinger zeichnet die Mylady —
Das arme Mütterlein,
das gebleicht
Sein Leichenhemde den Strand entlang;
Der Kranke,
der seinen letzten Gang
An deinem Borde gekeucht;
Das spielende Kind, das neckend hier
Sein Schneckenhäuschen geschleudert hat;
Die glühende Braut, die lächelnd dir
Von der Ringelblume gab Blatt um
Blatt;
Der Sänger, der mit trunkenem Aug'
Das Metrum geplätschert in deiner
Flut;
Die
Pilger, so am Gesteine geruht:
Sie alle dahin wie Rauch!
Bist du so fromm, alte Wasserfey,
Hältst nur umschlungen, läßt nimmer los?
Hat sich aus dem Gebirge die Treu'
Geflüchtet in deinen heiligen Schoß?
O, schau mich an! ich zergeh' wie Schaum,
Wenn aus dem Grabe die
Distel
quillt,
Dann zuckt mein längst zerfallenes Bild
Wohl
einmal durch deinen Traum!
(von Annette von Droste-Hülshoff)