Nach der Katastrophe
Die Erschütterung ist noch nicht abgeklungen. Als ich davon hörte, dass zwei Flugzeuge innerhalb kürzester Zeit das World Trade Center gecrasht haben, war mir klar, dass es sich nur um einen Terroranschlag handeln konnte. Der Jubel mancher Palästinenser war groß; die meisten Menschen auf der Welt, die die Bilder im Fernsehen verfolgten, konnten sich aber der Tatsache nicht entziehen, dass hier etwas Unfassbares geschehen war.
Angesichts der zufällig von Amateurfilmern gedrehten Videos, die das zweite Flugzeug von verschiedenen Perspektiven in das Monument des Symbols der Globalisierung krachen zeigen, blieb den meisten Reportern nur die Sprache weg, und es wäre wohl besser gewesen, überhaupt das "no comment" von Euronews in diesem Zusammenhang anzuwenden. Der Wahnsinn schlug mitten in New York, einer Weltmetropole, ein, und tausende von Zivilisten fanden dabei einen schrecklichen Tod. Manche Menschen sprangen von grenzenloser Panik gepackt in den sicheren Tod, um nicht Opfer der Flammen zu werden. Noch viele Wochen, wenn nicht Monate, wird dieses Ereignis die Welt im oft so sinnlosen Getriebe menschlichen Irrsinns schwanken lassen.
Da der Teufel sich in New York eingenistet hatte, wurden zahlreiche Veranstaltungen, die das Herz frohlocken lassen mögen, abgesagt. New York ist unter anderem eine Metropole des Baseball. Nach 57 Jahren wurde wieder ein Spieltag abgesagt. Kann man nach dieser unfassbaren Tragödie, deren Konsequenzen womöglich noch viel schrecklicher sein werden, wenn man den kaltherzigen, wohl mit Abstand schlechtesten Präsidenten, den die U.S.A. je gehabt hat, George Bush, mit seinen Rachegelüsten einkalkuliert, überhaupt an die Tagesordnung übergehen? Ist es vielmehr nicht so, dass dieses apokalyptische Inferno uns eine Zeit lang in Bewegungslosigkeit versetzen mag?
Wir Menschen haben den Auftrag, uns nicht unterkriegen zu lassen. Unsere Zivilcourage ist gefragt. Es gilt nicht nur, uns zu solidarisieren mit den Opfern und deren Angehörigen, sondern womöglich unser eigenes oft so dem Spaß und der Unterhaltung verhaftetes Leben zu überdenken, und möglicherweise Zeichen zu setzen. Für mich als Sport - insbesondere aber Fußballfan - um so mehr Grund, den Stellenwert des Sports zu definieren zu suchen. Sport kann etwas verbindendes sein, etwas, dass Menschen zusammen bringt, und somit dem Gefühl der Verbundenheit Flügel verleihen mag. Es gibt viele Menschen, die Sport ausüben, und noch viel mehr Menschen, die diesen Sportlern bei der Ausübung ihrer Profession zuschauen. Der Sport ist meinem Gefühl nach eine Funktion im Getriebe der Gesellschaft, die sehr ausgleichende Wirkungen darstellt. Das Leben erscheint oft so sinnlos, und bietet viel Grund zu Frustration und Ärger. Unglückliche, enttäuschende Erfahrungen stellen sich oft in den Vordergrund. Der Sport aber ist so etwas wie eine kleine Lichtquelle im Trubel persönlicher Probleme oder Katastrophen. Nun mag der eine oder andere meinen, dies trifft etwa auch auf das Fernsehen, Kino oder das Internet zu. Ja, das finde ich auch. Nur ist Sport zum Unterschied zu Filmen, irgendwelchen Diskussionen oder flashanimierten Online-Games eine absolut reale Angelegenheit. Da ist nichts verfälscht, wenn wir uns damit einlassen. Selbst wenn wir Sportveranstaltungen mittels Fernseher anschauen , wissen wir, dass hier die Realität nicht gespielt und verhunzt wird wie etwa in Big Brother oder Taxi orange, sondern sich im Sinne der Wahrheit ausdehnt. Sport lässt uns näher aneinander rücken. Leider ist es aber so, dass für manche Menschen gerade auch der Sport ein Grund ist, anderen Menschen weh zu tun, sie zu beleidigen oder auch zu drangsalieren. Das alles hat mit dem Gedanken des Sports als verbindenden Element der menschlichen Spezies nichts zu tun. Im Fußball gibt´s schon ausgezeichnete Plattformen, die dem Rassismus im Stadion den Kampf ansagen, und schon viele Sympathisanten gefunden haben.
Wir alle sollten fair sein, wenn es um Sport geht. Sich bspw. mit einer Fußballmannschaft verbunden zu fühlen ist kein Akt der Infantilität, sondern ein Zeichen von gelebter Solidarität. Wobei immer im Vordergrund stehen soll, die eigene Mannschaft zu unterstützen, und nicht, den "Gegner" zu verhöhnen. Der Stellenwert des Sports im Weltgetriebe der Menschen, um es zusammenzufassen, ist ein nicht geringer. Einerseits geht es um gelebte Solidarität und Zusammenhalt, um das Gefühl der inneren Zugehörigkeit zu einer Idee, die sich in einer Mannschaft oder auch einem Einzelsportler verkörpert. Andererseits geht es um spontane Freude oder auch um Mitleid; darum, eine Stellungnahme zum Zustand eines Konstruktes sozialer Strukturen abzugeben. Sport lässt sich keineswegs auf Spaß und Unterhaltung reduzieren. Sport kann ein Teil des Lebens sein, der die Wertskala der eigenen Lebensqualität positiv beeinflussen mag.
Dieses unglaubliche Attentat, das die Welt erschüttert hat, stellt jeden Menschen, der diesen Wahnsinn unverfälscht mitbekommen hat, auf die Probe, inwieweit noch ein Gefühl für das Gefüge der Welt in seinem Herzen besteht. Freilich sterben ständig sinnlos Menschen, die als Opfer der einseitigen Globalisierung zu Gunsten der Reichen zu betrachten sind. Und all diesen so weit entfernten Menschen mag unser Mitleid gelten. Aber wer denkt schon daran? Wir können ihnen nicht helfen, diesen Menschen, die abseits unserer verrückten Wohlstandsgesellschaft unter schrecklichen Bedingungen ihr Dasein fristen müssen. Aber wir sollten an sie denken, und sie nicht vergessen. Die Opfer des Terroranschlages sind Zivilisten, die genau so sinnlos ums Leben kamen wie tagtäglich die Opfer der falsch verstandenen sogenannten Globalisierung. Ihnen allen soll unsere Anteilnahme gelten. Es wäre sicher gut für uns, einmal am Tag inne zu halten, und eine Gedenkminute für all die Menschen zu halten, die dem Wahnsinn des Fortschrittsstrebens eines kleinen Teils der Welt zum Opfer gefallen sind, zum Opfer fallen und zum Opfer fallen werden. Es gilt nicht, in einseitigen Kategorien zu denken. Wir alle gehören zusammen. Und das sollte uns stets bewusst sein.