Interview mit Leonard Mlodinow, Autor u. a. von "Feynmans Regenbogen" und Co-Autor von "Die kürzeste Geschichte der Zeit"


sandammeer: Ihre Biografie ist für einen Physiker wohl einzigartig. Sie entdeckten Ihre Liebe zur Physik, als Sie einige von Richard Feynmans Büchern lasen, dann studierten Sie Physik und schrieben eine Doktorarbeit, die so brillant war, dass Sie ein Stipendium für das berühmte Caltech 1) bekamen, wo Sie Feynman kennen lernten - den Sie so behutsam in "Feynmans Regenbogen" porträtierten. Sie wurden Autor der "Star Trek - The Next Generation"-Episoden, Sie produzieren Fernsehsendungen über Naturwissenschaften, und Sie schrieben ein wunderbares Buch zusammen mit Stephen Hawking. Welcher Abschnitt Ihres Berufslebens war Ihnen am liebsten, und warum?

Leonard Mlodinow: Jetzt, später in meinem Leben, habe ich festgestellt, dass ich von all den Dingen, die ich getan habe, am meisten gemocht habe, ein Physiker zu sein. Die befriedigendste Sache ist für mich, neue Entdeckungen zu machen und in einer kollegialen Umgebung zu arbeiten mit Anderen, die dieselben Interessen und Werte teilen. Außerdem genieße ich es sehr, Mathematik zu betreiben.

sandammeer: Zusammen mit Stephen Hawking haben Sie "Die kürzeste Geschichte der Zeit" geschrieben. Wie viel Mlodinow und wie viel Hawking stecken in dem Buch?

Leonard Mlodinow: Das ursprüngliche Buch und die Ideen darin waren von Stephen, und daher muss ich ihm Anerkennung zollen. Meine Rolle war fast die eines Übersetzers - es für ein breites Publikum verständlich zu machen. Aber das ist es ja, was ich mit allen meinen Büchern tun wollte - Wissenschaft in einer verständlichen und sehr gut lesbaren Weise zu erklären.

sandammeer: Und - wenn man Stephen Hawkings schwere körperliche Behinderung in Betracht zieht - wie wurde Ihre Zusammenarbeit technisch möglich?

Leonard Mlodinow: Wir trafen uns ein paar Mal, kommunizierten jedoch überwiegend per E-Mail.

sandammeer: Wessen Idee war es, eine "einfachere", sogar kürzere und dennoch aktuellere Version von Hawkings Bestseller zu verfassen?

Leonard Mlodinow: Es war Stephens Idee. Er beschloss, dass er das Buch schreiben wollte, und zwar mit einem Co-Autor. Man hat mir gesagt, dass er Schwierigkeiten hatte, jemanden zu finden, von dem er glaubte, er verstünde die Physik und könne zudem gut schreiben, doch dann las er eines meiner früheren Bücher, "Das Fenster zum Universum", und beschloss, dass ich der Richtige sei.

sandammeer: Sie haben eine Reihe faszinierender Physiker kennen gelernt, darunter Nobelpreisträger wie Feynman und Murray Gell-Mann, aber auch John Schwarz, der jahrzehntelang für die Stringtheorie gekämpft hat, und Stephen Hawking, der als größtes Genie unserer Zeit gilt. Gibt es einen historischen Wissenschaftler, den Sie wirklich gern kennen gelernt hätten? Wenn ja, warum?

Leonard Mlodinow: Nun ja, es ist keine sehr originelle Antwort, aber ich würde Einstein wählen. Es gab niemanden sonst wie ihn, außer Newton, aber dem zufolge, was ich über ihn (Newton, Anmerkung sandammeer) gelesen habe, war er kein sehr angenehmer Geselle!

sandammeer: Könnten Sie uns "in einer Nusschale" erklären, was die Physik für Sie so schön und faszinierend macht? 2)

Leonard Mlodinow: Am faszinierendsten finde ich, dass ein paar mathematische Gleichungen eine gewaltige Reihe von Phänomenen im Universum beschreiben können. Warum ist das so? Was veranlasst die Natur zu gehorchen? Niemand weiß das, aber es ist einfach unfassbar, wenn man mit der Mathematik herumspielt und dann eine Antwort erhält und sieht, dass die Natur ihr gehorcht.

sandammeer: In den deutschsprachigen Ländern und, wenn auch wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß, auch in anderen Ländern haben die Menschen ein tiefes Misstrauen gegenüber Technik und Naturwissenschaften entwickelt. Zudem wird fehlendes Basiswissen in diesen Fächern mehr oder weniger als modisch angesehen und keineswegs als peinlich (während jemand, der keine Ahnung von Picasso oder Hemingway hat, auf jeden Fall dämlich wirkt). Um die Chancen und Risiken neuer Technologien zu verstehen, zu diskutieren und zu beurteilen, müssen wir aber über Physik, Biologie und Chemie Bescheid wissen. Was können die Schulen tun, um diese Fächer von Anfang an interessanter zu machen? Was können, was sollten Eltern tun?

Leonard Mlodinow: Ich weiß einiges darüber durch meine Arbeit als Vizepräsident bei Scholastic, dem Kinderverlag. Wir brauchen naturwissenschaftliche Lehrer, die in der Wissenschaft ausgebildet sind und für das Fach Leidenschaft empfinden. Wenn wir diese Leute finden, wird der Unterricht garantiert interessant sein, denn Wissenschaft ist faszinierend, und ihre Leidenschaft wird überspringen. Aber, zumindest gilt das für dieses Land (USA, Anm. sandammeer), Lehrer der Naturwissenschaften wissen oft wenig über die Wissenschaft und behandeln sie als eine Sammlung von Fakten, die in die Köpfe der Kinder gedrillt werden müssen. Dabei ist es eher das Gegenteil - es ist sehr viel mehr die Kunst des Fragenstellens als des Akzeptierens. Übrigens habe ich einige Jahre im Max-Planck-Institut in München gearbeitet und währenddessen Deutsch gelernt. Ich fand, dass dort der Respekt vor den Wissenschaften viel größer war als hier in den Vereinigten Staaten.

sandammeer: Während der letzten Jahre haben eine ganze Reihe bekannter Physiker - wie Sie selbst - großartige, sehr unterhaltsame Bücher über ihre Wissenschaft geschrieben, Bücher, die wenig, wenn überhaupt, Grundwissen über die Physik erfordern. Manche von ihnen sind Bestseller geworden. Man fragt sich, warum Chemiker keine populären Bücher über Chemie schreiben oder Ingenieure uns Einsicht in die Ingenieurtechnik geben - und nur wenige Biologen beispielsweise in die Genetik. Was veranlasst Physiker, so bereitwillig ihre Faszination für ihr Gebiet mitzuteilen? Oder: Was macht andere Naturwissenschaftler so viel weniger kommunikativ?

Leonard Mlodinow: Na ja, ich bin voreingenommen, aber ich denke nun einmal, dass die Physik sehr viel interessanter ist. Sie ist rein und schön, ein Destillat der grundlegendsten Dinge im Universum. Andere Wissenschaften befassen sich weniger mit Prinzipien und mehr mit Anwendungen.

sandammeer: Haben Sie neue Buchprojekte, von denen wir deutsche Übersetzungen erwarten dürfen? Wenn ja, worum geht es dabei?

Leonard Mlodinow: Meine beiden ersten Bücher, "Euclid’s Window" ("Das Fenster zum Universum") und "Feynman’s Rainbow" ("Feynmans Regenbogen") sind auf Deutsch erschienen. Mein nächstes Buch wird erst in ein paar Jahren herauskommen, deshalb ist es eine Diskussion noch nicht wert - schwer zu sagen, wie ein ungeborenes Kind einmal sein wird.

sandammeer: Herr Dr. Mlodinow, sandammeer bedankt sich herzlich für das Interview!

Leonard Mlodinow: Bitte!


Das Interview führte und übersetzte Regina Károlyi im Dezember 2005 / Januar 2006 per E-Mail.

1) California Institute of Technology (Caltech)

2) In seinem Buch "Feynmans Regenbogen" erklärt Leonard Mlodinow, was die Physik für ihn so faszinierend macht, und porträtiert einen der interessantesten Physiker des 20. Jahrhunderts.

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