Interview mit Alfred Grosser, Autor von "Von Auschwitz nach Jerusalem. Über Deutschland und Israel"
www.sandammeer.at: Herr Professor Grosser, auf der
diesjährigen Buchmesse wird Ihr neues Buch "Von Auschwitz nach
Jerusalem - Über Deutschland und Israel" präsentiert.
Zweifellos ist es ein schwieriges Unterfangen, das immer im Schatten
von Auschwitz stehende Verhältnis zwischen Deutschland und Israel,
eingebunden in das globale Geschehen, möglichst objektiv
darzustellen und zu diskutieren. Sie sind Franzose mit
deutschjüdischen Wurzeln, gewissermaßen also
Außenstehender und zugleich mit beiden Seiten verhaftet.
Inwiefern war dieser Hintergrund für Ihr Buch von Bedeutung?
Alfred Grosser: Es war zentral. Für deutsche Augen bin ich
gar kein richtiger Franzose, weil ich in Deutschland geboren bin. Ich
bin seit 1937 völlig Franzose und bin aber mit Deutschland
verbunden. Ich habe vier jüdische Großeltern, aber meine
Identität ist nicht der Jude schlechthin, so wie Hitler meinen
Vater sah.
Mein Vater war Professor für Kinderheilkunde, Leiter einer Klinik; er war Freimaurer und vier Jahre lang Kriegsteilnehmer mit EK I [Eisernes Kreuz I. Klasse, Anm. d. Red.] und auch Jude. Hitler hat gesagt: "Du bist nur Jude."
Ich lasse mich nicht von Hitler definieren. Und in diesem Sinne ist meine jüdische Identität eine meiner Identitäten, viel weniger wichtig als die französische.
www.sandammeer.at: Auf Ihren Vater, den Sie auch in
Ihrem Buch erwähnen, möchte ich noch kurz eingehen. Für
ihn war es ja wohl entsetzlich, kein Deutscher mehr sein zu
dürfen, nachdem er sich so sehr für das Land engagiert hatte
- ähnlich kennt man es beispielsweise von Fritz Haber, der nun
freilich heute aus ganz anderen Gründen [Entwicklung von Giftgas im 1. Weltkrieg, Anm. d. Red.] umstritten ist.
Alfred Grosser: Ja, mein Vater wurde von der Klinik verbannt, er
wurde von der Uni verbannt. Da mein Vater praktisch gleich nach der
Ankunft in Frankreich verstorben ist, hat mir meine Mutter später
erzählt, dass die Entscheidung zur Emigration fiel, als er vom
Verband der Eisernen-Kreuz-Träger I. Klasse ausgeschlossen wurde.
Er war vier Jahre lang Offizier gewesen, vier Jahre lang an der
Westfront gegen Frankreich, und er wurde nicht mehr als Deutscher
betrachtet. Daraufhin sagte er: "Ich muss da weg." Allerdings sagte
damals das vornehme Frankfurter Westend, wo wir wohnten: "Das gilt doch
nur für die Polacken und nicht für euch." Und diese
Unterscheidung zwischen verschiedenen "Sorten" Juden, die gibt es heute
noch.
www.sandammeer.at: Nach Ihrem Studium der
Politikwissenschaft und Germanistik erhielten Sie einen Lehrauftrag am
Institut d'études politiques de Paris. Was hat Sie veranlasst,
sozusagen den Elfenbeinturm der Wissenschaft zu verlassen und sich als
Publizist aktiv in die Politik einzubringen? Gab es einen konkreten
Auslöser?
Alfred Grosser: Nein. Ich habe meine ersten Zeitungsartikel
1945, also mit zwanzig Jahren, geschrieben. Und ich habe das nie so
gesehen, dass es einen Widerspruch gab zwischen meiner journalistischen
und meiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Ich versuche,
aufklärend Menschen zu beeinflussen durch die wissenschaftlichen
Arbeiten und durch den Journalismus. Man kann dasselbe sagen in einem
Zeitungsartikel und in einem Buch - ausführlicher natürlich
in einem Buch.
Aber hier in Deutschland gibt es einen Unterschied zwischen der
Wissenschaftlichkeit mit doppeltem W und dem armen Journalisten. -
Nein, das sehe ich einfach nicht ein.
www.sandammeer.at: Wie auch bei der Lektüre Ihres
Buchs "Von Auschwitz nach Jerusalem" ersichtlich wird, haben Sie die
Shoah nie pauschal als ein Gräuel "der Deutschen" gesehen,
sondern immer differenziert. Sie zeigen auch auf, dass es im 20.
Jahrhundert weitere schreckliche Verbrechen an der Menschlichkeit gab,
die man über der Shoah nicht vergessen dürfe. Und Sie stehen
bei allem Verständnis für die Ängste und
Bedürfnisse der jüdischen Israelis der Politik Israels
bezüglich der Palästinenser, seiner arabischen Bürger
und der gesamten arabischen Welt durchaus kritisch gegenüber.
Besteht da nicht die Gefahr, dass Ihre Aussagen vom rechten Rand des
politischen Spektrums oder auch, was den
jüdisch-palästinensischen Konflikt angeht, von weit links und weit rechts stehenden Gruppen missbraucht werden? Hat es das in der Vergangenheit gegeben?
Alfred Grosser: Dieser Missbrauch ist mir völlig egal. Als
ich 1975 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam, war mein
Zentralpunkt gegen die Berufsverbote, und ich bekam sofort die
Erwiderung: "Das sagen auch die Kommunisten." Und da habe ich gleich
erwidert: "Wenn die Kommunisten das sagen, haben sie in diesem Punkt
recht." (Schmunzelt.)
Ich glaube, das können wir beiseite lassen. Ich war nie
beeindruckt davon, wer benutzt, was ich sage. Ich sage, was ich zu
sagen habe, und wenn es schlecht benutzt wird, ist das nicht meine
Schuld.
Erst einmal versuche ich immer, den Anderen als normalen Menschen darzustellen. Die Palästinenser
sind normale Menschen, die verachtet werden. Und man soll gegen jede
Verachtung von Menschen sein. Man muss dabei immer gegen die Seinen
sprechen - das ist das Schwierige. Ich bin Jude - ich bin noch manches
Andere -, und insofern empfinde ich das als schlimmer, als wenn es
Andere wären, die das machten, was da im Namen des Judentums in
Israel gemacht wird.
Ich bin völlig Franzose, und deswegen habe ich den Algerienkrieg
Frankreichs hart bekämpft. Doch ich hätte ihn weniger hart
bekämpft, wenn ich nicht Franzose gewesen wäre. Und das ist
etwas, was sehr schwer in die Köpfe hineingeht: dass man gerade
der Gruppe, der man zugehört, und Gruppen, mit denen man
befreundet ist, kritisch gegenüberstehen sollte.
Ich gebe hier ein Beispiel: Ich schätze Kanzlerin Merkel sehr
hoch, aber sie hat eine furchtbare Rede vor der Knesset gehalten aus
Angst vor Angriffen. Sie hat ungefähr so gesprochen, als sei sie
Mitglied des Likud. - Mein Präsident, Sarkozy, den schätze
ich überhaupt nicht, aber er hat 2008 eine sehr gute Rede vor der
Knesset gehalten, worin er sagte: Ich bin ein Freund Israels - und so
weiter -, und gerade, weil ich Freund bin, muss ich offen sprechen:
Zurück zu 1967. Was muss bei den Grenzen behalten/verändert
werden? Keine neuen Siedlungen mehr. Die UNO respektieren. Das war
alles für die israelischen Zuhörer schwer zu hören, aber
er sagte es im Namen der Freundschaft zu Israel.
Das wird in Deutschland einfach nicht verstanden, weil immer dann, im Sinne von Martin Walser,
die Auschwitz-Keule gegen Deutschland geschwungen wird. Dann sprechen
sie von der Kollektivschuld, und diese ständige deutsche
Selbstanklage kann ich nicht mehr hören. Ich gebe nur ein neues
Beispiel: Für "Sechzig Jahre Kriegserklärung" schreibt der
"Spiegel" auf die Titelseite: "Ein Volk greift an." So was von
Kollektivschuld hat es noch nicht mal in den Nürnberger Prozessen
gegeben. Der "Spiegel" hätte ein Buch lesen können, das 1972
oder 1973 erschienen ist, "Hitlers Krieg und die Deutschen", von meiner
Studentin und späteren Kollegin Marlis Steinert; da gibt es
ununterbrochen Gestapo-Berichte an Hitler,
die besagen: "Die Leute wollen den Frieden, wie können wir sie
umstimmen, dass sie den Krieg wollen?" Nach dem Abkommen von
München Frieden-Freudengeschrei überall; man war froh, dass
Paris erobert wird, aber sonst: Friede, Friede, Friede. "Ein Volk
greift an" ist Irrsinn.
www.sandammeer.at: Sie warnen davor, eine
israelkritische Haltung mit Antisemitismus gleichzusetzen, wie dies in
Deutschland oft geschieht. Es gibt aber doch sicher auch einen
Übergang vom Einen zum Anderen, eine Art Grauzone. Ist es nicht
anzunehmen und nachvollziehbar, dass die in Deutschland lebenden Juden
befürchten, ihre nichtjüdischen Mitbürger könnten
angesichts der Ereignisse in Nahost in diese Grauzone abdriften und
dann vielleicht in einen echten Antisemitismus hineingleiten?
Alfred Grosser: Da kann ich nur antworten: Je mehr sich zum
Beispiel der Zentralrat der Juden in Deutschland mit Israel
identifiziert, desto mehr fördert er den neuen Antisemitismus.
Wenn in Paris der Chef des CRIF - die Organisation, die in Frankreich
ungefähr dem Zentralrat der Juden in Deutschland entspricht - und
Frau Knobloch vom Zentralrat hier dieselbe Rede halten, als sei sie
ihre eigene, und in Wirklichkeit kommt sie von der israelischen
Regierung, um zu sagen, die Hamas ist schuldig, und was die Hamas
diesen armen unschuldigen israelischen Städten antut, ist dasselbe
wie Gaza, dann kann ich nur aufschreien.
Und wenn in Berlin ein Sterod-Platz eingeweiht wird - das ist vor ein
paar Wochen geschehen -, als ob das das Gleiche wie Gaza wäre, -
ich habe gefragt, wo ist denn der Gaza-Platz? - In Gaza wurden mehr als
tausend Leute getötet, da wurden geplante Luftangriffe auf
vierhundert Punkte geflogen mit Schrapnells, mit furchtbaren Bomben,
und die Panzer überrollten die Häuser. Die Hamas-Raketen
haben wenig zerstört. Und das dann gleichzusetzen und zu sagen,
nur die Hamas ist schuld, wohingegen Israel das Ganze lange geplant und
vorbereitet hatte, das kann ich so nicht akzeptieren. Und wo ist da der
Antisemitismus?
Wenn der beste Sozialminister, den die Bundesrepublik je hatte, Norbert
Blüm, einen Satz zur Kritik von Israel sagt, heißt es
gleich, er sei Antisemit. Wenn Norbert Lammert,
der Präsident des Deutschen Bundestages, etwas sagt, wird er
sofort vom Generalsekretär des Zentralrates angegriffen, er sei
Antisemit und dürfe eigentlich nicht Präsident des
Bundestages sein. Ich bin ein bisschen befreundet mit Herrn Lammert, er
ist ein wunderbarer Mensch, intellektuell und moralisch hervorragend -
ja, wenn er so beschimpft wird, fördert das den Antisemitismus.
Die Trennung ist bei uns in Frankreich weniger vorhanden. Ihre jungen
Türken sind keine Araber. In diesem Sinne fühlen sie sich
weniger solidarisch mit dem, was in Gaza passiert. Unsere sind Araber,
und die mischen gleich das, was in Gaza geschieht, mit Antisemitismus
in Frankreich.
www.sandammeer.at: In diesem Zusammenhang fällt mir die
Geschichte um Sarrazin ein
[Das Zitat, das im Herbst 2009 für Aufregung sorgte: "Ich muss
niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt,
für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und
ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Thilo
Sarrazin, Vorstand der Bundesbank. Anm. d. Red.].
Alfred Grosser: Da bin ich glücklich unglücklich. Ich
bin glücklich, weil sich zum ersten Mal seit Langem, nach Bubis,
der Zentralrat auf die Seite von Muslimen gestellt hat. Bubis war immer
da, wo Andere verfolgt wurden. Wenn Häuser brannten, in denen
Türken wohnten, war Bubis sofort da, um seine Solidarität zu
zeigen. Das ist dann ziemlich weggefallen. Jetzt ist es wieder da. Wenn
dann freilich die "FAZ" einen Leitartikel schaltet und schreibt,
Sarrazin war so mutig wie der Mann, der [in München, Anm. d. Red.]
totgeschlagen wurde, weil er jemanden verteidigte, kann ich das nicht
nachvollziehen. Und wenn es dann heißt, die Hälfte der
Deutschen denkt wie Sarrazin, dann finde ich das traurig.
www.sandammeer.at: Was müssen beziehungsweise
können Deutschland, Deutschlands jüdische Gemeinde und Israel
Ihrer Meinung nach tun, um ihr Verhältnis so zu festigen, dass
nicht jede unglücklich formulierte Äußerung eines
Einzelnen - und ich meine jetzt gar nicht Sarrazin, sondern wirklich
banale Sätze - zu heftigen Irritationen führt, wie dies in
den letzten Jahren häufig vorkam?
Alfred Grosser: So zu sein wie eine ganze Reihe von
jüdischen Verbänden in Deutschland, und ich denke da an
meinen Freund, Rabbiner Homolka, der Ausbilder ist für die
Rabbiner für Europa an der Potsdamer Universität, im
Abraham-Geiger-Zentrum. Die vergeben einen Preis, den ich bekommen habe
und den dann Kardinal Lehmann bekommen hat - dieses Jahr hat ihn Hans
Küng erhalten. Sie sind offen für die Welt, und sie bekommen
jetzt auch ein bisschen Geld, denn die Gerichte haben den Zentralrat
verurteilt, auch anderen Juden Geld zu überlassen.
Das ist ein Beispiel. Es gibt auch Beispiele von vielen Städten,
die zugleich Synagogen neu aufbauen und in Ramallah, in Palästina
neue Schulen bauen; das hat ein wunderbarer Mensch in
Süddeutschland getan; und es gibt zum Beispiel Daniel Barenboim.
Und ich gehe nicht zur Paulskirche, zur Verleihung des
"Friedenspreises"; nicht, weil ich etwas gegen den Preisträger [Claudio
Magris, Anm. d. Red.]
habe, er ist ein herausragender Germanist und guter Übersetzer,
aber mit Frieden hat er nichts zu tun. Er hat den Preis bekommen,
obwohl Hunderte sagen, Daniel Barenboim sollte ihn bekommen. Genau so,
wie ich vermute, lief die Nobelpreisverleihung an eine Deutsche, denn
der Favorit war
Amoz Oz, und das wäre nicht möglich gewesen.
www.sandammeer.at: Sie kritisieren in Ihrem Buch unter
Anderem deutsche Politiker, die bei ihren Israel-Besuchen die
Palästinenser-Gebiete sozusagen links liegen ließen. Sehen
Sie eine spezielle Chance für Deutschland, auf einen Frieden im
Nahen Osten hinzuwirken - innerhalb der Europäischen Union oder
auch unabhängig von ihr?
Alfred Grosser: Im Februar dieses Jahres, 2009, haben die 27
Mitglieder der europäischen Union offiziell erklärt: "Wir
verdammen die Bildung neuer Siedlungen." Nun sind ununterbrochen neue
Siedlungen entstanden. Niemand spricht. Europa hat Angst und
überlässt es Obama, dem es auch nicht gelingt.
Was hindert die deutsche Kanzlerin daran, dort zu sprechen? Sie hat
schon Gutes gesagt gegen den Papst, sie kann auch einmal etwas Gutes
sagen gegen Israel.
www.sandammeer.at: Die Internet-Plattform
www.sandammeer.at, für die ich dieses Interview führe, wird
vor allem von jungen und relativ jungen Erwachsenen aus dem
deutschsprachigen Raum besucht. Diese haben den langen Weg von
Auschwitz nach Jerusalem, der, wie Sie in Ihrem Buch ja aufzeigen, auch
durch Gaza führt, nicht miterlebt. Sie kennen ihn daher
üblicherweise nur lückenhaft durch den Schulunterricht, der,
sicher zu Recht, die Shoah betont, und durch gelegentliche Verweise auf
Vergangenes in den Tagesmeldungen. Eine objektive Sicht auf den
Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist unter dieser
Voraussetzung kaum möglich - falls es sie überhaupt geben
kann.
Welche Lektüre-Tipps würden Sie jungen Menschen geben, bei
denen Ihr Buch Interesse geweckt hat, und die ihr Wissen vertiefen
möchten? Natürlich sind auch eigene Veröffentlichungen
willkommen!
Alfred Grosser: Die eigenen Veröffentlichungen, das
wäre auch das Buch "Die Früchte ihres Baumes. Eine
atheistische Sicht auf die Christen", wo viel Ähnliches drin
steht, aber ich glaube, das Wesentliche ist, dass man sich auch um
andere kümmert. Das ist keine Verniedlichung der Shoah.
Wenn man sagt, AIDS ist eine schlimme Krankheit, aber bitte, die Pest
ist es auch, ist das keine Verniedlichung der erstgenannten Krankheit.
Genauso werde ich es begrüßen, wenn in deutschen
Schulbüchern mehr steht über die Verbrechen Anderer.
Über Mao Tse-tung steht so gut wie gar nichts drin, aber er war
der größte Mörder des 20. Jahrhunderts am eigenen Volk.
Allein, als er sagte, wir industrialisieren, gab es dreißig
Millionen Hungertote. Später gab es Millionen Tote bei der
sogenannten Kulturrevolution. Dass sich Menschen unter den Lehrern
heute noch Maoisten nennen können, finde ich katastrophal.
Und in der ehemaligen DDR soll man wissen, was Stalin alles getan hat.
Und da sind wir bei den deutschen Schwierigkeiten. Die DDR war
nämlich eine Diktatur, sie hat Gefängnisse gehabt, aber sie
hat weder die schweren Prozesse von Prag gehabt noch die Invasion in
Ungarn, noch die Ukraine mit ihren sechs Millionen Hungertoten durch Stalin. Diese Verbrechen sind unbekannt in Deutschland, sowohl in der ehemaligen DDR als auch im Westen. Es geht nur um Auschwitz.
Zu zeigen, dass andere Menschen Millionen Tote gehabt haben, vermindert
nicht Auschwitz. Aber in diesem Sinne gilt es, eine globale Erinnerung
zu haben - das habe ich versucht in meinem Buch "Verbrechen und
Erinnerung" -, aber ich glaube, da gäbe es viel zu tun. In diesem
Buch zitiere ich Elie Wiesel aus seiner Rede zur
Friedensnobelpreisverleihung, worin er sagte, nach dem Krieg hätte
die ganze Welt nach Auschwitz sehen müssen. Und ich schrieb in
diesem Jahr, in dem Saddam Hussein Giftgas gegen die Kurden gebrauchte:
"Die kurdische Mutter, die ihr durch Gas getötetes Kind im Arm
hält, hat nicht den geringsten Grund, an Auschwitz zu denken. Aber
jeder Überlebende von Auschwitz und seine Nachkommen haben die
moralische Pflicht, an die kurdische Mutter zu denken." Das ist eine
enorme moralische Differenz, und ich stehe zu meiner Moral.
www.sandammeer.at: www.sandammeer.at bedankt sich für das Interview und wünscht Ihnen alles Gute!
Das Interview wurde am 16.10.2009 auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des Verlags Rowohlt von Regina Károlyi geführt.
"Von Auschwitz nach
Jerusalem. Über Deutschland und Israel"
Der Gaza-Krieg hat die Fragen wieder aufgeworfen: Wie scharf darf man Israel
kritisieren? Messen die Israel-Kritiker mit zweierlei Maß - oder die
Israel-Verteidiger? Und wann ist die Grenze zum Antisemitismus überschritten?
Wenn es um den jüdischen Staat geht, kochen sechzig Jahre nach dessen Gründung
die Emotionen regelmäßig hoch. Zumal insbesondere in Deutschland bei der
Debatte unterschiedliche Auffassungen darüber aufeinanderprallen, welche Lehren
aus Auschwitz zu ziehen sind. Aus der Perspektive eines Franzosen, der als jüdischer
Deutscher geboren wurde, bringt Alfred Grosser Klarheit in dieses von Polemik,
Unterstellungen und Verzerrungen geprägte Feld. (Rowohlt)
Zur Rezension ...
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