"Jesus, Du weißt"

R: Ulrich Seidl
Mit: Elfriede Ahmad, Waltraute Bartel, Hans-Jürgen Eder u. a.
Dokumentarfilm Österreich 2003


Nach seinem großen Erfolg "Hundstage" präsentiert Regisseur Ulrich Seidl mit "Jesus, Du weißt" einen stillen Fernsehfilm, der nun auch die heimischen Kinos erreicht hat. Sechs gläubige KatholikInnen werden von ihm beim innigen Zwiegespräch mit Jesus, dem Erlöser, mit der Kamera begleitet. Die ProtagonistInnen stecken in unterschiedlichen Lebensphasen, haben teilweise schwere Schicksalsschläge erlitten und hoffen auf Antworten im Glauben und auf ein besseres Leben im Jenseits.

Da ist die sichtbar geduldig-treuergebene und bescheidene Christin, die ihren seit Jahren gelähmten Mann, einen Moslem, aufopfernd pflegt. Sich selbst wenig gönnend, hofft sie auf Dank und Trost von und bei Gott. Ein junger Student liegt im Dauerstreit mit seinen Eltern, weil er jede freie Minute in der Pfarre verbringt. Voller Scham beichtet er Jesus von seinen Sexual- und Heldenphantasien. Eine Lehrerin ist in eine Lebenskrise geraten, weil ihr Verlobter dem Leben mit ihr ein Dasein als Priester vorgezogen hat.

Die gezeigten Personen beten in menschenleeren Kirchen zu Gott und lassen uns ZuseherInnen an ihren intimen, teilweise tief verzweifelten Gesprächen mit Jesus teilhaben. Man fühlt sich ob dieser mutigen Offenheit zwar nicht als VoyeurIn, wird aber durchaus schmerzlich an die eigene christliche Sozialisation erinnert, in der Leiden und Jenseitshoffnung allzu übermächtig sind. Dieser Film Seidls stellt eine zutiefst persönliche Auseinandersetzung mit seiner streng katholischen Erziehung dar, ohne eine Abrechnung zu sein.

(ama;04/04)