"Donnie Darko"
R: Richard Kelly
D: Jake Gyllenhaal,
Jena Malone, Maggie Gyllenhaal, Drew Barrymore, Patrick Swayze
USA
2001
Wenn ein lebensgroßer Hase durchs Wurmloch reist, und ein
Triebwerk mitten im Schlafzimmer landet, dann sind es noch genau 28 Tage, 6
Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden bis zum Ende der Welt ...
Wir schreiben den 2. Oktober 1988 im
beschaulichen Middlesex, einem Städtchen im Staat Virginia. Hier wohnt die weiße
amerikanische Mittelklasse, tagtäglich nimmt das Leben seinen gewohnten Lauf.
Alles wäre oberflächlich betrachtet Eitel, Wonne, Sonnenschein, gäbe es nicht
einen Sonderling, der die Harmonie der Vorgartensiedlungen trübt: Donald Darko
(Jake Gyllenhaal), kurz Donnie genannt.
Sechzehn Jahre weilt er nun schon
auf Erden, ohne genau zu wissen, warum und wozu. Während seine jüngere Schwester
eifrig Tanzkurse besucht, und seine ältere (Maggie Gyllenhaal) politisch aktiv
Stimmung für den Präsidentschaftskandidaten Dukakis macht, übt sich Donnie im
Tagträumen und Schlafwandeln. Eines Nachts ist es wieder soweit, Donald Darko
tappst wie ferngesteuert von seinem Mansardenzimmer im elterlichen Haus Richtung
nahegelegenen Golfplatz. Für ihn an sich nichts Ungewöhnliches, stünde nicht
urplötzlich ein lebensgroßer Hase im Weg, ein Hase namens Frank, der ihm lapidar
mitteilt, dass in genau 28 Tagen, 6 Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden die Welt
untergehen werde.
Am Morgen wecken die ersten Golfer voller Hohn und
Spott den am Rasen schlafenden Donnie. Ganz nebenbei findet er die Zahlenkette
28.06.42.12 auf seinen Unterarm geschrieben vor. In den Erinnerungen seines
"Traumes" kramend, macht sich Darko auf den Heimweg und bemerkt schon von weitem
einen Tumult. Polizei, Kranwagen, Regierungsbeamte und Schaulustige prägen ein
Bild hellen Aufruhrs. Das Triebwerk eines Flugzeugs war über Middlesex
niedergegangen - und zwar genau in Donnies Dachkammer. Hätte er in seinem Bett
übernachtet, wäre er nun tot. War der dämonisch dreinblickende Hase etwa Donnie
Darkos Lebensretter?
Der Tag hält noch eine weitere Überraschung für
Donnie bereit. Gretchen (Jena Malone), die neue hübsche wie eigenbrötlerische
Klassenkameradin, willigt ein, mit ihm "zu gehen". Das Schicksal nimmt seinen
Lauf, die Zeit verstreicht, und die angekündigte Apokalypse rückt näher. Ganz
nebenbei erzählt Donnie seiner Psychotherapeutin von Frank, der nun regelmäßig
erscheint, um ihn u. a. zu veranlassen, die Schule unter Wasser zu setzen oder
das Haus eines pädophilen Predigers (Patrick Swayze) anzuzünden. Doch die gute
Frau kann Donnie nicht von Frank befreien.
Zusätzlich gibt es noch einen weiteren Punkt, der Donnie Darko nicht loslässt:
Wurmlöcher.
Gemeint sind nicht etwa die in überreifen Äpfeln oder stichigen Möbeln, sondern
jene hypothetischen Abkürzungen durch die Raumzeit, die schon Albert Einstein
Kopfzerbrechen bereiteten. Könnte ein solches Wurmloch gefunden werden, wäre
eine Reise in Vergangenheit wie Zukunft möglich. Donnie hätte die Chance, Franks
vorhergesagten Weltuntergang zu verhindern. Also vertieft er sich in die Lektüre
"Die Philosophie des Zeitreisens", verfasst von einer gewissen Roberta Sparrow.
Die geheimnisvolle Frau hatte ebenfalls in Middlesex gelebt, ehe sie verschwand
- oder besser gesagt - sich als wortkarge 101-Jährige in die Abgeschiedenheit
einer baufälligen Hütte zurückzog. Vom Rest abschätzig Grandma Death genannt,
erkennt Donnie Darko das wesensgleiche Genie in ihr. Als er Roberta Sparrow
aufsucht, flüstert sie ihm nur einen Satz zu: "Jedes Lebewesen stirbt alleine".
Donnie hat immer öfter Visionen von seltsamen
ektoplasmischen Fortsätzen, die sich aus dem Solarplexus von Menschen winden.
Verfällt er endgültig der paranoiden Schizophrenie oder sieht Donnie Darko
materialisierte Wurmlöcher klar vor Augen. Ein Schlüssel zu all dem könnte das
Wort "cellardoor" sein, laut seiner Lehrerin (Drew Barrymore) das
wohlklingendste unter allen Wörtern der englischen Sprache. Auf dem Weg zur
Kellertür von Grandma Deaths Hütte wird dann auch das große Finale eingeläutet.
Es ist mittlerweile Halloween, die letzte
Nacht vor dem Ende der Welt. In ganz Middlesex tragen all die fröhlichen
Nichtsahnenden Kostüme; wen wundert es da, dass plötzlich ein Wagen heranbraust,
mit einem riesigen Hasen am Steuer? Das Auto überfährt Donnies Freundin Gretchen
und verletzt sie tödlich. Wutentbrannt jagt Donnie dem "Hasen" Frank eine Kugel
durchs Auge. Als der Morgen graut, weiß Donnie Darko, was zu tun ist, um
Gretchen wiederzuerwecken und die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Dem
Wurmloch sei Dank, er opfert sich ...
"Donnie Darko" ist ein
ungewöhnlicher Film, schwer einzuordnen. Der Handlungsaufbau nimmt Anleihen bei
David Lynchs Meisterwerken "Twin Peaks" oder "Mulholland Drive". Der monströse
Hase Frank scheint wiederum eine härtere Variante von "Harvey" zu sein, einem
unsichtbaren Riesenhasen, mit dem sich James Stewart 1950 auf der Leinwand
anfreundete. Und Donnie selbst erinnert an eine Mischung von "Harold und Maude"
und "Der Fänger im Roggen". Regisseur Richard Kelly lieferte keinen
High-School-Klamauk ab, sondern zwingt das Publikum ständig mitzudenken,
vorauszuahnen, um nicht gänzlich den Faden in Raum und Zeit zu
verlieren.
"Donnie Darko" hat cineastischen Kultstatus. Besonders
Neugierigen sei die interessant gestaltete offizielle Website (http://www.donniedarko.com/) nahegelegt, sowie die DVD mit
zahlreichen Hintergrundinformationen.
(lostlobo; 03/2004)