Es
war daheim auf unserm Meeresdeich;
Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,
Zu mir herüber scholl verheißungsreich
Mit vollem Klang das Osterglockenläuten.
Wie
brennend Silber funkelte das Meer,
Die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel,
Die Möwen schossen blendend hin und her,
Eintauchend in die Flut die
weißen Flügel.
Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand
War sammetgrün
die Wiese aufgegangen;
Der Frühling zog prophetisch über Land,
Die Lerchen jauchzten und die Knospen sprangen. -
Entfesselt ist die
urgewalt'ge
Kraft,
Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,
Und alles treibt,
und alles webt und schafft,
Des Lebens vollste Pulse hör ich klopfen.
Der
Flut entsteigt der frische Meeresduft;
Vom
Himmel strömt die goldne Sonnenfülle;
Der Frühlingswind geht
klingend durch die Luft
Und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.
O
wehe fort, bis jede Knospe bricht,
Daß endlich und ein ganzer Sommer
werde;
Entfalte dich, du gottgebornes Licht,
Und wanke nicht, du feste
Heimaterde! -
Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht
Aufgor das Meer
zu gischtbestäubten Hügeln,
Wenn in den Lüften war der Sturm
erwacht,
Die Deiche peitschend mit
den Geierflügeln.
Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr
Den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben;
Denn machtlos, zischend schoß
zurück das Meer -
Das Land ist unser, unser soll es bleiben!
(von Theodor Storm)