Leseprobe:
Er
legte eine Hand unter mein Kinn und hob mein Gesicht. Zuvor hatte er mich noch
nicht ernsthaft geküsst, aber er war eindeutig im Begriff, das nun zu tun. Er
roch gut, wie eine Lotion, und ich konnte die Wärme seines Atems auf meiner Haut
spüren.
"Sind Sie nicht nervös?" fragte ich rasch, unmittelbar bevor sein Gesicht
meines berührte.
Für den Bruchteil einer Sekunde hielt er inne. Er schüttelte
den Kopf. "Nein", sagte er, und dann küsste er mich.
Es war ein aggressiver, männlicher Kuss, bei dem seine Zunge tief in meinen
Rachen einzudringen versuchte. Ich fand, dass er ein Misserfolg war. Aber das
war eigentlich nicht seine Schuld. Er musste sich ziemlich vorbeugen, um meine
Lippen zu erreichen, und mein Kopf war in einer linkischen Stellung nach hinten
gedrückt: es war nahezu unvermeidlich, dass unsere Zähne zusammenprallten. Erste
Küsse
sind meistens nicht sehr gut, aber ich war
trotzdem enttäuscht. Plötzlich war mir bewusst, wie unelegant ich aussah mit
meinen vor mir auf dem Boden ausgestreckten Beinen; in dieser Stellung war mein
Rock zu kurz, und ich hatte meine Schuhe zur Seite geworfen. Ich zog die Knie
unter mich und zerrte am Saum meines Rocks. Er lag in einem Kreis um mich herum,
rahmte mich ein, wie ein
Frosch
auf einem Seerosenblatt.
Er atmete etwas heftiger, und ich wischte mir flüchtig den Mundwinkel ab, wo
seine Zunge zu leidenschaftlich gewesen war. Er küsste mich wieder, langsamer,
und diesmal spürte ich ihn so, dass mir am Rückgrat entlang warm wurde. Dann
nahm er mich bei der Hand und führte mich ins Schlafzimmer, streng und modern
wie die restliche Wohnung. Der Lichtschein aus dem Flur zeigte mir, dass es
auf dem Nachttisch neben seinem Wecker keine Bücher gab - alles, was ich sehen
konnte, war ein Päckchen Kondome. Ich lachte innerlich, weil ich ebenfalls Kondome
in meiner
Handtasche hatte.
Tatsächlich war ich gut auf die Nacht vorbereitet: Ehe ich das Haus verlassen
hatte, hatte ich ein kleines Reisenecessaire für meine Kontaktlinsen, meine
Zahnbürste und mein gesamtes Make-up eingepackt.
Eric ging auf das Bett zu, und ich schloss
die Tür hinter uns. Er rief leise nach mir, und ich tastete mich zu ihm, die Hände
ausgestreckt, um im Dunkeln nicht zu stolpern oder zu fallen. Es war eine windige
Nacht, aber die Läden an seinem Fenster klapperten nicht, und seine Heizung funktionierte
wesentlich effizienter und leiser als meine zu Hause.
Der Sex war hervorragend.
(Aus "Das Erbe der Geisha" von Mako Yoshikawa)