Albrecht Beutelspacher: "Christian und die Zahlenkünstler"
Eine Reise in die wundersame Welt der Mathematik
Ein mathematischer Krimi
Bei Christian zu Hause kriselt es, und dann soll er auch noch in den Ferien mit
seiner Patentante Ursula, die er kaum kennt, zu einer Sommerakademie für
Mathematiker fahren - nicht gerade ein cooles Urlaubsziel für einen Zwölfjährigen!
Aber dann kommt alles ganz anders
als erwartet: Von Anfang an versteht er sich gut mit Ursula, die überhaupt
nicht seiner Vorstellung von einer wirklichkeitsfremden, steifen Mathematikerin
entspricht, und der Kurs findet in einem etwas gruseligen italienischen Schloss
statt - ein Ambiente, das Christians Fantasie anregt und eine passende Kulisse
zu dem sich entwickelnden Krimi um eine wissenschaftliche Entdeckung abgibt, den
Christian hautnah miterlebt.
Christian mag Zahlenspielereien und Geheimschriften ganz gern und ist daher
begeistert, dass Ursula und ihre Freunde an der Sommerschule ihn zwar ernst
nehmen, ihm jedoch sehr gern mathematische Tricks und ihre Grundlagen beibringen
- und das so, dass er es bestens verstehen kann. Schon am ersten Tag lernt
Christian nicht nur Cäsars Verschlüsselungscode kennen, sondern auch eine
Menge Zahlen mit ungewöhnlichen Eigenschaften und verblüffende Phänomene: Man
nehme zum Beispiel eine beliebige vierstellige Zahl, etwa 2806 (Christians
Geburtstag) und hänge die vier Ziffern in umgekehrter Reihenfolge daran, sodass
sich beim obigen Beispiel 28066082 ergibt. Jede so erhaltene Zahl ist ohne Rest
durch 11 teilbar - und das lässt sich auch noch ganz einfach erklären.
In den folgenden Tagen besucht Christian gelegentlich Vorlesungen; seine Tante
und ihre Freunde helfen ihm, den Stoff zu begreifen. So erfährt er mehr über
allerlei Gesetzmäßigkeiten in der Zahlenwelt, die man gut für geheime Codes
verwenden kann. Er bekommt aber auch mit, dass es unter den Wissenschaftlern
mehr oder weniger offene Feindseligkeiten gibt. Und plötzlich verschwindet ein
einzigartiges Manuskript von Professor Primo, dem Dozenten. Darin geht es um die
bahnbrechende Möglichkeit, Codes und Geheimschriften sehr rasch und effizient
zu entschlüsseln. Wesentlich dafür ist die neuartige Erkenntnis des
Professors, wie man auch sehr große Zahlen blitzschnell in ihre Primfaktoren
zerlegen kann. (Zur Erinnerung: Jede Zahl, die selbst keine Primzahl ist, kann
man in kleinere Primzahlen zerlegen, die miteinander multipliziert die ursprüngliche
Zahl ergeben. Z.B. besteht die Zahl 30 aus den Primfaktoren 2, 3 und
Beim Conference Dinner an einem der letzten Abende stellt sich heraus, dass der
erbittertste Widersacher des Professors, ein unsympathischer Deutscher namens
Detlef, das Manuskript entwendet hat und damit beweisen kann, dass der Professor
nur geblufft hat: Im Manuskript steht nichts Bahnbrechendes, es finden sich
darin lediglich altbekannte Trivialitäten. Es kommt zum Eklat, der Professor
geht auf Detlef los, der vom Essen her noch ein Messer in der Hand hat, und stürzt
beim darauf folgenden Gerangel in das Messer.
Die Verletzung stellt sich anschließend als marginal heraus, aber die
Sommerschule wird sofort beendet. Christian ist ein bisschen traurig darüber,
aber auf der Heimfahrt wird ihm bewusst, was für ein großartiges Erlebnis er
gehabt hat: Er durfte die Bekanntschaft einiger sehr sympathischer Leute machen
und zudem einiger ausgesprochen "schräger Vögel". Und obwohl der
Professor sich schrecklich blamiert hat, weil er aufgrund der an ihn gestellten
Erwartungen Ansprüche weckte, die er nicht erfüllen konnte, erinnert sich
Christian begeistert an die Vorlesungen, die er besucht hat, und eine spannende
Privatstunde. Er weiß: Die Mathematik und er sind einander ganz nahe gekommen,
wodurch sich sein Leben verändert hat. Und daher kann er sich sogar auf seine
Familie freuen.
Ein Mathematiker, der ein spannendes Kinderbuch schreibt? Geht das?
"Christian und die Zahlenkünstler" beweist, dass es möglich ist.
Beutelspacher erklärt sehr anregend, unkompliziert und in klarem, schlichtem
Stil eine Reihe von mathematischen Spielereien und Phänomenen, die
naturwissenschaftlich interessierte Zwölfjährige schon verstehen können,
zumal gerade auch das Hauptthema "Geheimschriften und Codes" die
Zielgruppe, etwa Zwölf- bis Vierzehnjährige, stark anspricht. Das Buch geht
aber über den rein mathematischen Aspekt hinaus. Die Leser erfahren, welch
unerbittliche Konkurrenz oftmals zwischen Spitzenwissenschaftlern herrscht, und
dass die Ansprüche, mit denen sich diese aufgrund ihres Rufs sowohl von anderen
als auch von sich selbst konfrontiert sehen, anspornend, aber im Übermaß auch
zerstörerisch wirken können.
Sehr reizvoll erschienen mir der Lokalkolorit und die sympathische Weise, in der
allerlei italienische Eigenheiten skizziert werden. Und der Krimi um das
Manuskript mit dem "spukigen" Schloss als Hintergrund macht die
Geschichte ausgesprochen spannend, sodass die Mathematik nicht überdosiert
wird.
Christian sammelt zudem wichtige persönliche Erfahrungen: "Cool" ist
nicht, was man vorgegeben bekommt, sondern was einem selbst gefällt. Und, ganz
wichtig, der erste Eindruck, den man von einem Menschen hat, kann völlig falsch
sein. Christian erhält also auch eine anschauliche, unaufdringliche Lehrstunde
in Offenheit und Toleranz.
Ich empfehle dieses Buch sehr gern, würde aber raten, es Kindern zu schenken,
bei denen grundsätzlich Neugier auf Mathematik und Naturwissenschaften im
weiteren Sinne vorhanden ist. Zwölfjährige brauchen unter Umständen noch ein
wenig Unterstützung, um mit den mathematischen Inhalten klarzukommen. Das macht
aber nichts, denn "Christian und die Zahlenkünstler" ist auch für
Erwachsene ganz reizvoll zu lesen.
(Regina Károlyi; 07/2005)
Albrecht Beutelspacher: "Christian und
die Zahlenkünstler"
C.H. Beck, 2005. 176 Seiten. (Ab 12 J.)
ISBN 3-406-52708-6.
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Albrecht Beutelspacher ist
Professor für Mathematik an der Universität Gießen. Das von ihm gegründete Mathematikum
ist das erste mathematische Mitmach-Museum der Welt mit jährlich 150.000
Besuchern. Beutelspacher erhielt mehrere renommierte Auszeichnungen, so den
"Archimedes Förderpreis für Mathematik" (2000), den "Communicator-Preis
der Deutschen Forschungsgemeinschaft" und den "Deutschen IQ-Preis"
(2004).
Zwei weitere Bücher des Autors:
"Pasta all'infinito"
Dies ist der unkonventionelle Bericht eines jungen deutschen Mathematikers,
der sich zu einem Forschungsaufenthalt in das ihm eher unbekannte Italien
begibt, um sich dort mit einigen Kollegen dem Thema der Unendlichkeit zu widmen.
Herausgekommen sind dabei unübliche Einblicke in den Wissenschaftsbetrieb, eine
heimliche Liebeserklärung an ein fremdes Land und eine in mancherlei Hinsicht
überraschende Auseinandersetzung mit einem der geheimnisvollsten Probleme der
Mathematik und Philosophie: der Unendlichkeit.
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