Adelheid Dahimène, Heide Stöllinger: "Spinne Spinnerin"


Es ist nun das dritte Buch der beiden Künstlerinnen, das ich kennen lernen durfte, und ich muss gestehen, es ist reines Suchtverhalten, das mich immer wieder zu einem Buch der beiden greifen lässt. Die Lust auf die Illustrationen, die Lust auf die subtile und immer ungewöhnliche Geschichte und die Lust auf die kleine Gänsehaut, die die Geschichte bei mir immer erzeugt, haben mich süchtig werden lassen.

Ja, so ein leichtes Gruseln und Gänsehaut kann ich beim Lesen des Buches nicht leugnen. Vielleicht liegt es an "menschlichen" Spinnen, am Kamillentee oder der "gläsernen Spur der Zeit", die die Schnecke hinter sich herzieht. Und dabei ist das nur der Anfang der Geschichte.

Die Motive der Schnecke sind nicht ganz klar, fest steht nur, dass sie beim Anblick der im Spinnennetz zappelnden Fliege jenen oben schon erwähnten Kamillentee zur Beruhigung braucht, den wiederum die Spinne nicht riechen kann. Aber so schnell wird sie die Schnecke nicht los, sagen doch die Verkehrsnachrichten aus dem Kofferradio der Schnecke Schnee voraus. Also erklärt sich die Spinne bereit Schneeketten zu spinnen und "damit die Schnecke auf Glatteis zu führen". Während sie so spinnt, hat die Schnecke inzwischen die Fliege (stumme Rolle) befreit und es sich anders überlegt:
"Ich habe mich anders entschieden", sagte die Schnecke, "es wird doch nicht schneien. Aber du könntest mit deiner Spinnerei meine obdachlosen Verwandten aufmöbeln, die haben etwas Kleidsames bitter nötig."

Und seitdem stehen die Nacktschnecken bei der Spinne Schlange, "um sich mit Rollkragenpullovern und Kapuzenmänteln einkleiden zu lassen." Auch die Spinne ist überglücklich.
"Sie misst und spinnt und vergisst dabei ganz auf die Fliegen, die sich fröhlich vermehren und die Fenster verdrecken und die Menschen dahinter verrückt machen."

Ab 4 Jahren lautet die Altersempfehlung auf der Rückseite des Buches und dennoch überlege ich, ob ich das Buch nicht lieber an eine(n) Erwachsene(n) weiterschenken möchte. Nicht nur die Worte, sondern auch die Zeichnungen bergen höchstes Vergnügen, auch für Erwachsene. Nacktschnecken werde ich von nun an mit ganz anderen Augen betrachten und wohl jedes Mal ein wenig dabei kichern. Ungewöhnlich sind auch die modischen Kombinationen aus Kopftuch und Bauchfreiheit bei der Spinne. Ein jedes der Krabbeltiere, die in dem Buch vorkommen, verkörpert eine Verschmelzung notwendiger Hässlichkeit (Fliegen, Raupen) - es muss ja nicht immer alles herzig sein - und individueller Eleganz (Schmetterlinge, Schnecken).

Insgesamt ist dieses Kinderbuch von leichter, hellgelber Fantasie mit den für das Künstlerduo Dahimène-Stöllinger typischen ungewöhnlichen Wendungen in Darstellung und Erzählung. Anspruchsvoll anders und originell fordernd, den jungen gleichsam wie den alten Leser.

(Die Prinzessin; 02/2004)


Adelheid Dahimène, Heide Stöllinger: "Spinne Spinnerin"
NP Verlag, 2004. 32 Seiten. (Ab 4 J.)
ISBN 3-85326-280-5.
ca. EUR 14,90. Buch bestellen

... und was macht die kleine Spinne Jonnie?