"Es war ein König in Thule"
Das Hausbuch der Sagen und Balladen
Zunächst ein paar
Begriffserläuterungen: Sagen sind mündlich überlieferte Erzählungen, deren
Realitätsanspruch über dem des Märchens liegt. Die Ballade geht hingegen auf das
strophische Tanzlied zurück und ist eine dichterische Kunstform.
Benannt
ist das Buch nach der gleichnamigen Ballade von Johann Wolfgang
Goethe. Er ist nicht der einzige berühmte Dichter, der in diesem Werk zu
finden ist. Friedrich
Schiller, Theodor Fontane, Eduard Mörike, Annette von Droste-Hülshoff und
Heinrich Heine sollen an dieser Stelle nur eine kleine Auswahl von ebensolchen
Persönlichkeiten sein. So ist es nicht verwunderlich bekannte Balladen wie "Der
Taucher", "Der
Knabe im Moor", "Archibald Douglas", "Lore Lay" und Sagen wie
"Die Kinder zu Hameln", "Sigfrid und Kriemhild" darin zu erblicken.
Auch
optisch hat "Es war ein König in Thule" viel zu bieten. Das Äußere des Buches
wirkt zwar schlicht aber aufwändig gearbeitet. Vor allem der mit rotem Stoff
überzogene Buchrücken lässt ein hohes Maß an Qualität vermuten und wird dem
Kunstbegriff "Hausbuch" durchaus gerecht. Überdies ist der Einband sehr
ansprechend gestaltet. In dunklerem Blau gehalten strahlt er etwas
Geheimnisvolles aus und macht damit einerseits neugierig und stimmt andererseits
auf den kommenden Inhalt ein. Besonders gelungen sind die Illustrationen von
Renate Seelig. Die detailtreuen Zeichnungen tragen zum besseren Verständnis bei
und runden die Handlung formschön ab.
Die inhaltliche Gliederung umfasst
vier Themenbereiche. Der erste Block handelt von Sagen und Balladen rund um
Ritter und Könige, der zweite von verwunschenen Orten,
der dritte von edlen Frauen und der vierte von Zauberern, Teufeln und
Unsichtbaren. Für besonders wertvoll halte ich die im Anhang angeführten Angaben
zu den einzelnen Autoren sowie die Hintergrundinformationen zu so mancher Sage
und Ballade.
Zum Beispiel findet man im alphabetisch gereihten Verzeichnis
unter dem Stichwort "Wilhelm Busch" folgenden Eintrag: "Wilhelm Busch:
(1832-1908) war Maler und Dichter. Er gilt als Meister der Bildergeschichte und
als einer der genialsten deutschen Karikaturisten. Weltberühmt wurde er durch
seine humorvollen, aber auch bitterbösen Bildergeschichten von Max und
Moritz."
Die Angaben zu Fontanes Ballade "Archibald Douglas" lauten
folgendermaßen: "Archibald Douglas: (1489-1557) gehörte einem der ältesten
schottischen Adelsgeschlechter an, das sich mehrfach gegen das Königshaus erhob.
A.D. war ein treuer Anhänger König Jakobs V., wurde jedoch mit seiner Familie
verbannt. ..."
Diese zusätzlichen Informationen sind für
aufmerksame und interessierte Leser sicherlich von
Bedeutung.
Grundsätzlich gefällt mir das Buch sehr gut und darf, wie ich
finde, in einer ordentlichen Hausbibliothek nicht fehlen. Es vereint viele
Gedichte bedeutender Dichter zu einem knapp 200 Seiten umfassenden Gesamtwerk.
Durch die gänzliche Übernahme der Originaltexte und eine nur moderate
Angleichung an die neue Rechtschreibung sind die Gedichte auch sprachlich
hochinteressant. Leider können Kinder mit dieser Art von Sprache nur selten
etwas anfangen. "Altertümliche" Ausdrücke und Formulierungen bereiten
Literaturliebhabern ein wahres Lesevergnügen, jedoch wirken sie auf die jüngere
Leserschaft meist befremdend. Frühere entwicklungspsychologische Überlegungen
teilten das Leseverhalten der Kinder in verschiedene Phase ein. Das
Balladenalter lag damals zwischen 15 und 20 Jahren. Heute werden im Rahmen des
Deutschunterrichts einfachere Balladen meist mit 12jährigen gelesen.
(NiNanu; 01/2005)
"Es war ein König in Thule"
Mit
Bildern von Renate Seelig. Für die ganze Familie.
Gerstenberg, 2004. 192
Seiten.
ISBN 3-8067-5047-5.
ca. EUR 25,60.
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Renate Seelig wohnt und arbeitet in
Frankfurt. In ihrem umfangreichen Werk hat sie sich besonders auf die
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