Annelies Umlauf-Lamatsch: "Der kleine Peter in der Katzenstadt"

Der originalgetreue Nachdruck des Kinderbuchklassikers mit Illustrationen von Ernst Kutzer


"Der kleine Peter ist ganz aufgeregt! Heute ist er ja sechs Wochen alt! Morgen geht er zum ersten Male in die Katzenschule. Die Mutter hat ihn schon einschreiben lassen. Hurrau! Schreit er vor Freude und springt umher."

Die vor dem Zweiten Weltkrieg bekannte und beliebte Autorin Annelies Umlauf-Lamatsch verfasste Dutzende Kinderbücher, darunter als Klassiker geltende Titel wie "Der kleine Peter in der Katzenstadt" oder "Die Schneemänner", die einst beim im Jahr 1921 in Wien gegründeten Verlag Jugend und Volk erschienen, hohe Auflagen erreichten und heute noch in Sammlerkreisen begehrt sind. "Der verkühlte Gugelhupf" beispielsweise ist eine gesuchte Rarität, die stolze Preise erzielt.
Der G&G Kinder- und Jugendbuchverlag legte indes einige Kinderbuchklassiker von Annelies Umlauf-Lamatsch in originalgetreuen Nachdrucken wieder auf.

23.3.1962: Annelies Umlauf-Lamatsch gestorben
Vor wenigen Tagen starb völlig unerwartet im Alter von 67 Jahren in Wien die bekannte Jugendschriftstellerin Annelies Umlauf-Lamatsch. Sie schrieb 42 Kinderbücher, darunter u.a. "Die Schneemänner" (1930), "In der Heimat der Blumen" (1931), " Der kleine Peter in der Katzenstadt" (1934), "Hannerl in der Pelzstadt" (1941) und "Putzi und Bauxi" (1950). Einige ihrer Werke erreichten Auflagen von mehr als 100.000 Stück.
Annelies Umlauf-Lamatsch war von 1923 bis 1945 Lehrerin am Pädagogischen Institut in Wien und hat sich später ganz dem Schreiben von Märchen und Erzählungen für Kinder zugewandt.
(Aus der Wiener Rathauskorrespondenz des Jahres 1962)

Geboren wurde die Schriftstellerin als Anna-Louise Lamatsch Edle von Waffenstein am 6. März 1895 in Hermsdorf bei Dresden. Nach dem Ersten Weltkrieg zog ihre Familie nach Wien, wo Annelies Umlauf-Lamatsch, so ihr Künstlername, heiratete und ab 1915 als Lehrerin, zuerst an einer Volksschule, später am Pädagogischen Institut, arbeitete.
Außer Kinder- und Jugendbüchern verfasste sie Theaterstücke sowie Rundfunktexte. Annelies Umlauf-Lamatsch starb am 18. März 1962 in Wien.
Ihre Tochter Ellen Umlauf (1931-2000) war übrigens eine bekannte Schauspielerin und Regisseurin.

Wie Hans Bankl am 27. Mai 2003 in "SIM" ("Das Sicherheitsmagazin") in seiner Kolumne "Spurensuche mit Professor Bankl. Das giftige Hotelzimmer" ausführt: "Die populäre Schauspielerin Ellen Umlauf, bekannt als Frau Kaiser in der Fernsehserie Kaisermühlen-Blues, wurde am 19. Februar 2000 in einem Hotelzimmer der Stadt Rotorua im Norden Neuseelands tot aufgefunden. Der Telefonhörer war abgehoben und lag neben ihr. Zunächst nahm man an, die 74-Jährige sei an akutem Herzversagen gestorben, doch die gerichtsmedizinische Obduktion ergab etwas ganz Anderes: Hohe Werte von giftigem Schwefelwasserstoff im Blut. Was war geschehen? Schwefelwasserstoff ist ein heimtückisches Giftgas. In geringer Menge stinkt es nach faulen Eiern und wird dadurch leicht bemerkt. Bei höheren Konzentrationen wird der menschliche Geruchssinn gelähmt, und man erkennt die Lebensbedrohung nicht mehr."

Doch zurück zu Annelies Umlauf-Lamatsch:
Kinder- und Jugendbücher (und nicht nur diese) transportieren bekanntlich die jeweils zur Zeit am Ort ihres Erscheinens erwünschten bzw. gültigen Verhaltensweisen, Ideale und Rollenbilder, Klischees, Moral- und Wertevorstellungen; nicht zu vergessen ist die erzieherische Absicht, wenngleich hierzu heute (glücklicherweise) ein anderes Vokabular existiert.
"Wenn du für die Jugend schreiben willst, so darfst du nicht für die Jugend schreiben! - Denn es ist unkünstlerisch, die Behandlung eines Stoffes so oder anders zu wenden, je nachdem du dir den großen Peter oder den kleinen Hans als Publikum denkst", so ein von Theodor Storm aufgestelltes Gebot.

Annelies Umlauf-Lamatschs Helden sind kaum jemals Menschen; diese treten bevorzugt lediglich als Randfiguren in Erscheinung, sondern (zumeist wie Menschen gekleidete und agierende) Hexen und Teufelchen, Zwerge, Tiere und Pflanzen.
Der Titelheld in "Der kleine Peter in der Katzenstadt" ist ein schwarzer Kater, dessen Werdegang vom vorwitzigen Taferlklassler bis zum Bilderbuchfamilienvater und Bürgermeister der Katzenstadt in 21 Kapiteln geschildert wird. Man liest von Streichen (Motto: "Die Strafe folgt auf dem Fuß") und aufregenden Erlebnissen (denn das Mäusefangen will nach allen Regeln der Kunst gelernt sein). Peter schließt gar Freundschaft mit Rolf, einem entlaufenen Zirkushund, und ehelicht eine ehemalige Mitschülerin, die weiße, fürsorgliche Miez ("Früh gefreit, nie gereut"), der er - ein Held vom Scheitel bis zur Sohle - einmal das Leben gerettet hat.

Die durchgehend mit erhobenem Zeigefinger betonten Werte der entworfenen Katzenwelt sind Ordnung, Gehorsam, Fleiß, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Tapferkeit und dergleichen Tugenden mehr, wobei ein begeistertes "Hurrau!" aus Katzenkinderkehlen nie fehlen darf.
Art und Weise, wie diese Themen aufbereitet und in welchem Sprachstil sie behandelt werden, machen das Buch in erster Linie zu einem kulturgeschichtlich interessanten Dokument für charakterlich gefestigte erwachsene Leser, lassen es jedoch als Lektüre für sogenannte Erstleser, für die "Der kleine Peter in der Katzenstadt" einst konzipiert wurde, großteils untauglich erscheinen. Denn der moralinsaure Beigeschmack der vermittelten Benimmregeln wie auch die Darstellung einer bieder-spießigen Stadtidylle und die Vorstellungen von einer "erfolgreichen Erziehung" übersteigen bisweilen den Grad des Erträglichen und gehen auch unter nostalgischen Gesichtspunkten keineswegs als Bestandteile einer Gesellschaftssatire durch.
Außerdem wird, weil es sich um einen originalgetreuen Nachdruck handelt, nicht die derzeit gebotene Rechtschreibung verwendet, weswegen sich "Der kleine Peter in der Katzenstadt" schon allein deshalb nicht für Erstleser eignet.

Mag. Dr. Susanne Blumesberger führt in einem "Annelies Umlauf-Lamatsch: Märchenmutti oder Propagandaautorin?" betitelten Artikel aus: "Auf den ersten Blick scheint es sich bei den Büchern um harmlose Märchen und Geschichten für Kleinkinder bzw. um nette Jugendromane zu handeln. Annelies Umlauf-Lamatsch hat aber auch politische Propaganda betrieben, wie die Auseinandersetzung mit jenen Werken zeigt, die während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind. Hinter der 'Märchenmutti', als die sie sich den Kindern in ihren Büchern immer wieder vorgestellt hat, steckte noch eine ganz andere Frau." (Der Artikel entstand im Rahmen des Moduls "Kinder- und Jugendbuchautorinnen" des Projekts "Biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen am Institut für Wissenschaft und Kunst, ein Jubiläumsfondsprojekt mit der Nummer 8546" und ist zur Gänze in "Biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift", herausgegeben von der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, "Phoibos" Heft 50, 2 /2001. S. 211-225 nachzulesen.)

Die in den Farben Grün, Schwarz, Weiß und Orange gehaltenen Bilder zur Geschichte "Der kleine Peter in der Katzenstadt" stammen von
Ernst Kutzer (1880-1965), der sich nach Studien an der Kunstakademie in Wien als Buchillustrator betätigte. Auch während des Ersten Weltkrieges war er vorwiegend als Zeichner beschäftigt. Ernst Kutzer illustrierte zahlreiche Kinder- und Bilderbücher. Viele davon wurden als Nachdrucke wieder aufgelegt.

Die Rezensentin dankt Frau Mag. Dr. Susanne Blumesberger für die freundliche Unterstützung.

(kre; 05/2005)


Annelies Umlauf-Lamatsch: "Der kleine Peter in der Katzenstadt"
Bilder von Ernst Kutzer. Blockschrift von Alois Legrün.
G&G, 2005. 64 Seiten. (Ab 6 J.)
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