Herbert Günther: "Mach's gut, Lucia!"
Ein Geschichtenbuch über die Kinder der
Welt
Illustriert von Ute Martens
Geschichten haben schon vor Urzeiten
Menschen zusammengebracht. Geschichten können erzählen von den Sorgen und Nöten,
von den Hoffnungen und dem Glück von Menschen. Und so ist der Versuch des
Kinder- und Jugendbuchautors Herbert Günther nur zu begrüßen, der ein von Ute
Martens mit beeindruckenden Zeichnungen illustriertes Geschichtenbuch vorlegt,
in dem er dem jugendlichen Leser sechs Kinder aus Thailand, Indien, Brasilien,
Uganda, Deutschland und Russland und ihre jeweilige Geschichte näher
bringt.
Die das Buch abschließende Geschichte "Reise nach Europa"
beschreibt die Geschichte einer Flucht von Afrika nach dem goldenen, rettenden
Europa, der Sehnsucht für viele, vor allem junge Menschen, nicht nur aus Afrika.
In einer Zeit, in der bei uns viel diskutiert wird über neue
Kinderarmut, wo durch Pisa-Studien und andere Erhebungen deutlich wird, dass der
Bildungsstand und die soziale Absicherung unserer Kinder mitten in einem reichen
Land schon lange nicht mehr diesem Standard entspricht, wo der Rezensent,
jedenfalls in seiner unmittelbaren Umgebung in seiner Heimatkommune, von
zahlreichen Fällen berichten könnte, wo Kinder vernachlässigt und durch
elterlichen Egoismus an ihrer Entwicklung gehindert werden, scheint der Blick
auf Kinder aus anderen Ländern ein Luxus zu sein, den man sich nicht erlauben
kann. Alle Energie und alle Fantasie sollte auf die Kinder im eigenen Land
gerichtet werden, so lautet der dumpfe, fremdenfeindlich angehauchte Einwand auf
die Idee der "Einen Welt", nach der die Situation von Kindern in anderen Ländern
sehr wohl etwas mit uns zu tun hat. Tatsächlich legt Herbert Günther in allen
seinen Geschichten dieses Buches Wert darauf, diesen Zusammenhang zwischen "uns
und den Anderen" explizit und implizit herzustellen.
Die Welt wächst
zusammen, und sie treibt gleichzeitig auseinander. Bücher wie das vorliegende
können mithelfen dabei, Kindern und Jugendlichen diese Dialektik nahe zu bringen
und sie ermutigen, sich einen eigenen, kritischen Standpunkt zum Thema zu
erarbeiten.
Nach der Desavouierung der Entwicklungsidee, mitten in einer
globalisierten Welt, nach dem Abschied von der Idee eines ideologisch
eingefärbten Multikulturalismus müssen neue Wege einer echten Solidarität mit
den Menschen anderer Länder gefunden werden. Nach 9/11 ist das schwerer
geworden, aber wenn unser Zusammenleben in unseren westlichen Demokratien
Bestand haben und weiterentwickelt werden soll, müssen wir hier quasi völlig
neue Sprachen erlernen, die uns erklären können, welche Werte und Normen wir
vertreten und wie wir sie mit denen anderer Kulturen ins Gespräch bringen
können, ohne uns immer gleich für unsere Werte zu entschuldigen.
Wer
nicht weiß, wer er ist und wo er herkommt, kann Fremden und Anderen nicht
wirklich begegnen, sondern übt entweder reine Caritas oder nivelliert
ideologisch verblendet die Unterschiede.
Das Buch wird abgeschlossen mit
Informationen und ausführlichen Landkarten zu den jeweiligen Geschichten und mit
einer absolut empfehlenswerten Literaturliste von Kinder - und Jugendbüchern für
den interessierten Weiterleser.
(Winfried Stanzick; 03/2006)
Herbert Günther: "Mach's gut, Lucia!"
dtv
Reihe Hanser, 2006. 144 Seiten. (Ab 9 J.)
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Lien zu Herbert Günthers Netzseite: http://www.herbertguenther.de/.