Gisela Cölle: "Der Koffer mit den sieben Kronen"
Seit einigen Jahren wird es immer
deutlicher: unsere Gesellschaft spaltet sich zunehmend. Die Kluft zwischen den
ganz Reichen und den Armen wird immer tiefer. Hauptleidtragende sind die Kinder,
die in den Familien aufwachsen, für die eine Investition von mehr als 10 EUR in
ein Kinderbuch eine völlig unsinnige Ausgabe ist. Diese Kinder wachsen auf mit
Plastikspielzeug, Gameboys und anderem elektronischen Schrott, mit dem sie
spielen, solange RTL II ausgeschaltet ist.
Eine andere Kindergartenpädagogik und eine bessere Betreuung im Grundschulalter
werden - kurzfristig jedenfalls - meiner Meinung nach nichts daran ändern.
Bilderbücher und Bücher überhaupt werden - leider - über eine lange Zeit
nach wie vor das Privileg von Mittelschicht- und Einzelkindern bleiben.
So ein Einzelkind ist der "Prinz" in Gisela Cölles Buch
"Der Koffer mit den sieben Kronen". Moritz, so heißt der kleine
Prinz, lebt allein mit seinen Königseltern in einem Schloss.
Todsterbenslangweilig. Daran ändert auch gar nichts, dass er für jeden Tag
eine andere goldene Krone besitzt und sicher auch ein riesiges Kinderzimmer
voller - gewiss pädagogisch wertvollem - Spielzeug.
Und weil er es leid ist, in dieser Langeweile zu versauern, packt er seine
Kronen in einen Koffer und fliegt mit seinem kleinen Spielflugzeug hinaus in die
weite Welt.
Dort begegnet er im Verlauf einiger Abenteuer Menschen
aus anderen Kulturen, mit denen er sich anfreundet und denen er jeweils
eine seiner Kronen schenkt. Dafür erhält er:
- vom afrikanischen Häuptling Löwenmut und Tigerstärke
- vom Wüstenscheich die Stille der Wüste
- vom Eskimojungen das Licht der Wintersonne
- vom Fischerjungen in der Südsee das Glitzern der Wellen
- vom Indianerhäuptling weiße Feder die Wärme des Feuers
- vom Kaiser von China das Lied der chinesischen Nachtigall und vom Alpenseppel
das Wir-sehen-uns-wieder-Echo.
Als er nach seiner langen Reise wieder zu Hause bei seinen Königseltern ist,
hat er keine Langeweile mehr, denn er hat viele Freunde
gefunden, und wie gesagt: Löwenmut .....
Ein schönes Buch für Eltern und ihre Kinder, denen es an materiellen Dingen
nicht mangelt, und die es sich leisten können, über die immateriellen Werte
nachzudenken.
Damit kein Missverständnis entsteht: Diese Werte sind wichtig für alle Eltern
mit ihren Kindern, und die Hoffnung darf nicht aufgegeben werden, dass in
unseren Ländern in einigen Jahren Kinder besser aufwachsen können, als dies
heute der Fall ist.
Dennoch: wir brauchen solche Bücher für unsere Kinder, die ab einem
bestimmten Alter nur noch das neueste Handy von XY oder sonst irgendeinen
elektronischen Schnickschnack für lebenswichtig halten.
Über ein Bilderbuch würde ich mich freuen, in dem ein ähnlicher kleiner Prinz
oder auch eine Prinzessin (sprich: Einzelkind) auf einer langen Traumreise durch
die Welt Dinge wie Mitmenschlichkeit, Miteinander-Teilen, Einander-Helfen etc.
kennen- und praktizieren lernt. Das nur als kleine verlegerische Anregung.
(Winfried Stanzick; 09/2005)
Gisela Cölle: "Der Koffer mit den sieben
Kronen"
Bajazzo, 2005. 36 Seiten. (Ab 5 J.)
ISBN 3-907588-62-2.
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Gisela Cölle wurde 1948 in Zweibrücken geboren. Sie studierte Medizin in Mainz und ist dort seit 1980 als Ärztin für Allgemeinmedizin tätig. Bevor sie Bilderbücher schrieb und illustrierte, hat sie vor allem gemalt. Sie studierte an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg Illustration und Comiczeichnen.