"Das Käthchen von Heilbronn" nach Heinrich von Kleist
Neu erzählt von Barbara Kindermann, mit Bildern von Christa Unzner
Graf vom Strahl wird eines Tages von
einem fünfzehnjährigen Mädchen verfolgt. Er spürt ihre Gegenwart wie seinen
Schatten. Ständig ist sie ihm auf den Fersen, und sein Diener Gottschalk nimmt
das Mädchen unter seinen Schutz. Niemand weiß, was es mit dieser merkwürdigen
Geschichte auf sich hat; also muss ein Gerichtsverfahren her, in dessen Verlauf
der Graf vom Strahl mit einer Finte erwirkt, dass das Mädchen ihn nicht mehr
verfolgen darf. Das ändert aber nichts an der Situation, denn Käthchen folgt
einer Prophezeiung, die sie im Traum hatte. Im wachen Zustand weiß Käthchen
selbst nicht, weshalb sie dauernd auf der Spur des Grafen vom Strahl wandelt.
Noch dazu hat sich dieser in eine Frau verguckt, welche einst seine Erzfeindin
gewesen ist. Kunigunde von Thurneck hat ihm den Kopf verdreht und soviel von
Liebe geheuchelt, bis der Graf ihr auf den Leim gegangen ist. Die beiden planen
bald ihre Hochzeit, als die Burg, die Graf vom Strahl Fräulein Kunigunde in
einem Anfall geistiger Umnachtung überschrieben hat, in Flammen steht. Das
Käthchen ist wie ein nicht zu verscheuchender Schatten wieder da und läuft in
die Burg, um ein Futteral zu retten, das für Kunigunde von Bedeutung ist. Es
stellt sich heraus, dass es Kunigunde einzig und allein um die Besitzansprüche
gegangen ist. Dafür schickte sie ein unschuldiges Mädchen in die brennende Burg!
Das Käthchen überlebt wie durch ein Wunder den Gang durch die Flammen
...
Die Prophezeiung aber bekommt Graf vom Strahl selbst zu erfassen, als
er Käthchen im Traum befragt. Sie soll die Tochter eines Kaisers sein und sich
mit einem Grafen vermählen. Eigentlich mag Käthchen die Tochter eines
Waffenschmieds Theobald und seiner früh verstorbenen, bildhübschen Frau sein.
Der Kaiser bestreitet freilich die Blutsverwandtschaft zu dem armen Mädchen.
Während die wahre "Schönheit" von Kunigunde sich als Humbug herausstellt, da sie
mit falschen Zähnen, einer "Zauberrüstung" und sonstigem Klimbim in ein
ansehnliches Mädchen "verwandelt" wurde, was im übrigen Käthchen herausgefunden
hat, die dieses Geheimnis mit dem Tod bezahlen sollte, wozu es aber
glücklicherweise nicht gekommen ist, begibt es sich, dass ein "Gottesurteil" die
wahre Herkunft des Käthchens von Heilbronn ergeben mag. Und tatsächlich: Es gibt
schließlich keinen Zweifel mehr, und auch der Kaiser muss anerkennen, dass
Käthchen seine Tochter ist. Vor sechzehn Jahren hat er der Lust mit der
bildhübschen Frau des Theobald gefrönt, und dabei ist dieses herrliche Geschöpf
entstanden. Alles ist also gut, wenn da nicht die Frage wäre, ob die
"Liebesprophezeiung" tatsächlich ein Pärchen zusammengeführt hat, welches
einander in guten wie in schlechten Tagen beistehen mag ...
"Das Käthchen
von Heilbronn" ist eine Geschichte, die erwiesenermaßen von Heinrich von Kleist
umgeschrieben worden ist. Er hat es der "Bühnentauglichkeit" wegen verändert.
Dies mag dem Stück anzumerken sein, da die formale Struktur nicht mit jener
seiner anderen Stücke vergleichbar ist. Doch diese Schwächen werden durch die
poetischen Grundlagen allemal vergessen gemacht. Der Märchencharakter soll zudem
einstmals viel stärker gewesen sein, und Meister Tieck mag Kleist empfohlen
haben, sich diesbezüglich zurückzunehmen. Geblieben ist eine Geschichte, die
mythische Symbolik mit einer "Liebesgeschichte" kombiniert, der es an tragischen
Geschehnissen nicht mangelt. Das Käthchen "liebt" den Grafen vom Strahl jedoch
nicht aus freiem Entschluss, sondern aus einer Prophezeiung heraus. Sie folgt
dem Befehl eines Engels mit naiver Gläubigkeit, ohne zu wissen, was es damit auf
sich hat. Somit gibt es verschiedenste Möglichkeiten, dieses Stück zu
interpretieren. Entscheidend ist, dass Barbara Kindermann die bedeutsamsten
Elemente in den Vordergrund stellt, wodurch die Aussagekraft sich nicht allein
auf Käthchen und den Grafen vom Strahl konzentriert, sondern zudem die
selbstverliebte, boshafte Kunigunde ihr Fett abbekommt.
Das Buch wird durch
kongeniale Zeichnungen von Christa Unzner wunderbar ergänzt.
Die
Uraufführung des Stückes fand übrigens am 17. März 1810 im Theater an der Wien
statt. Die Rolle des Kaisers wurde wegen Angst vor Majestätsbeleidigung durch
jene eines Herzogs ersetzt. Erst 66 Jahre später war es möglich, das Stück nach
Kleists Originaltext zu spielen.
Heinrich von
Kleist erlebte nur die Aufführung dreier seiner Stücke. Es wird vermutet,
dass er sich als dichterisch gescheitert ansah. Da er zudem als Journalist
keinen Erfolg hatte und die politische Niederlage der Nation schwer auf seiner
Seele gelegen haben mag, nahm er sich im Alter von 34 Jahren gemeinsam mit der
unheilbar kranken Henriette Adolfine Vogel das Leben.
(Klabauter; 02/2006)
Barbara
Kindermann, Christa Unzner: "Das Käthchen von Heilbronn"
Kindermann
Verlag, 2006. 36 Seiten. (Ab 7 J.)
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Weitere Bücher aus dieser Reihe (Auswahl):
"Faust" nach Johann Wolfgang von Goethe. Neu erzählt von Barbara Kindermann,
mit Bildern von Klaus Ensikat
Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Mephisto, der versucht, Doktor Faust die Seele abzuhandeln!
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Literatur schon Kindern Spaß machen kann. Zahlreiche Originalzitate vermitteln
den kleinen Lesern einen möglichst authentischen Eindruck der klassischen Vorlage.
Ein Buch voller Magie und Hexenzauber, mit faszinierenden Bildern von Klaus
Ensikat, der seine große Illustrationskunst hier ein weiteres Mal unter Beweis
stellt. Zum Vorlesen und Selberlesen ab 7 Jahre.
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"Wilhelm Tell" nach
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Freiheitskampf gibt’s jetzt als packende Abenteuergeschichte in der Reihe
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Hohlen Gasse. Ein faszinierendes Stück Weltliteratur - mitreißend und mit viel
Gespür für das Original nacherzählt von Barbara Kindermann und grandios ins Bild
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Gottfried Kellers berühmte Novelle über das bürgerliche Leben
zwischen Schein und Sein wird in der einfühlsamen Nacherzählung von Barbara
Kindermann zum märchenhaften Lesespaß für große und kleine Klassikerliebhaber ab
6 Jahre. Sybille
Hein hat zu dieser heiteren Verwechslungsgeschichte herrlich stimmungsvolle
Bilder geschaffen.
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"Götz von Berlichingen" nach Johann
Wolfgang von Goethe. Neu erzählt von Barbara Kindermann, mit Bildern von Bernd
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Götz von Berlichingen, der Ritter mit der eisernen Hand, ist
durch Goethes Drama weltberühmt geworden und seine Respektlosigkeit gegenüber
der Obrigkeit längst sprichwörtlich: "Er aber, sag’s ihm, er kann mich
..."
Neuerdings aber schwingt der eiserne Ritter die Fackel der Freiheit
nicht mehr nur auf der Bühne, sondern entführt schon kleine Leseratten ab 7
Jahren in die faszinierende Welt des Mittelalters. Goethes Klassiker liest sich
in der Neufassung von Barbara Kindermann wie eine spannende Abenteuergeschichte
- über Freundschaft, Verrat und Intrigen, korrupte Kaufleute, feige Fürsten,
tollkühne Ritter und schöne Burgfräulein. Bernd Mölck-Tassel hat dazu
fantastisch-schwungvolle Bilder mit vielen witzigen Details geschaffen.
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"Nathan der Weise" nach Gotthold Ephraim
Lessing. Neu erzählt von Barbara Kindermann, mit Bildern von von Maren
Briswalter
Welche Religion ist die einzig wahre? Eine bedeutende
Frage, die die Menschen seit jeher beschäftigt und bis heute nichts von ihrer
Aktualität verloren hat. Und auch diese Geschichte handelt davon: Sie führt uns
ins alte Jerusalem, wo Sultan Saladin dem weisen Juden Nathan aufträgt, dieses
Rätsel für ihn zu lösen. Nathan antwortet mit der berühmten Ringparabel.
Dies ist nicht nur der Beginn einer tiefen Freundschaft zwischen dem mächtigen
Moslem und dem weisen Juden, am Ende finden sogar Christen, Juden und Moslems
über alle Gegensätze hinweg zu einem glücklichen Bund zusammen. Lessings kluges
Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz liest sich in der Reihe "Weltliteratur
für Kinder" wie ein spannendes Märchen. Maren Briswalter hat zu dieser
bewegenden Geschichte zauberhafte Bilder geschaffen, die den Betrachter in die
wundersame Welt des Orients entführen.
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