Susa Hämmerle, Mathias Weber: "Der Ich-will-mehr-Bär"
"Es war einmal ein kleiner
Bär,
der wollt von allem immer mehr ..."
Welche Eltern kennen das
nicht? Kinder testen ab einem bestimmten Alter ihre Grenzen aus, tatsächlich tun
sie das schon als Säuglinge, da fällt es nur nicht so deutlich auf. Aber auch
Eltern, die sich zugute halten, ihrem Kind bereits frühzeitig notwendige Grenzen
und Lebensrahmen angeboten und gesetzt zu haben, zum Beispiel durch pünktliche
und regelmäßige Mahlzeiten, feste und verbindliche Schlafenszeiten und vor allem
durch konsequentes Fernsehfasten, sehen sich je nach Entwicklungsstand des
Kindes früher oder später mit immer neuen Versuchen ihrer Kinder konfrontiert,
diese Grenzen zu überschreiten, auszudehnen und mit wachsender Sprachkompetenz
der Kinder auch zu diskutieren.
Dass Kinder immer mehr wollen, ist
zunächst kein Grund zur Verzweiflung oder zum Kulturpessimismus ("Wir waren
früher mit weniger zufrieden"), sondern täglich neuer Ansporn, über die Grenzen
nachzudenken und sie, gegebenenfalls altersbedingt verändert oder erweitert,
immer wieder neu zu setzen.
Allerdings muss hinzugefügt werden, dass
jener Ich-will-mehr-Haltung in einer Gesellschaft, die einer tendenziell ärmer
werdenden Bevölkerung täglich nur den Überfluss medial vor Augen führt, nicht so
leicht zu begegnen ist. Wenn schon die Erwachsenen mit dem suchtartigen
Vergleichen ("Was hat der Andere, was ich nicht habe") kaum mehr umgehen können,
wie sollen sie dann Kindern die entsprechenden Konsum-Grenzen
setzen können?
Dennoch, es lohnt sich. Das erleben auch die Eltern jenes
kleinen, von Susa Hämmerle erfundenen und von Mathias Weber liebevoll
gezeichneten, Bären. Dieser ist in einer Phase, wo er von allem immer mehr will:
Er will schlafen, statt aufzustehen, Zahncreme nimmt er mehr, als auf die Bürste
passt, das Einkaufen mit ihm gerät für die Eltern zum Spießrutenlauf, weil er
alles, was er sieht, in den Korb schaffen will, und selbst abends kann er nicht
akzeptieren, dass das Vorlesen, das der Papabär liebevoll übernommen hat, auch
irgendwann einmal zu Ende sein und geschlafen werden muss.
Ganz zu schweigen
von seinem Verhalten bei Tisch. Die Bäreneltern sind erschrocken, können nicht
verstehen, warum ihr Kind so ausflippt, und auch der Versuch, den Sprössling
durch in den Arm Nehmen und Halten zu beruhigen, scheitert zunächst.
Doch
da kommt unverhofft Hilfe von außen. Der Cousin des kleinen Bären, Sven, hat sich
für eine Woche zu Besuch angesagt, weil seine Eltern plötzlich und dringend nach
Tadschikistan reisen müssen. Schon als der Cousin vollbeladen mit Koffern
ankommt, ist der kleine Bär schwer beeindruckt. Sven ist unverwüstlich
umtriebig. Ohne müde zu werden, sprüht er vor Ideen und Aktivismus, heckt
tausend Streiche aus und verhält sich immer mehr so, wie der kleine Bär zuvor,
nur um ein Mehrfaches verstärkt. Als Sven dann auch noch allen Honig
des kleinen Bären aufisst und sich im Supermarkt aufführt wie eine Furie, schämt
sich der kleine Bär und hat langsam genug.
Sven reist am Montag wieder ab
und lässt die Eltern und das Bärenkind völlig fertig auf dem Sofa zurück.
Plötzlich ruft der kleine Bär aus:
"Bin ich froh, dass er weg ist, dieser
grässliche Mehr-Bär!"
Und alle drei beginnen zu lachen, bis der kleine Bär
nicht mehr (!) kann.
Ein schönes Bilderbuch über das Heilsame von
Grenzen, die Wohltat des Aufhörens und den Sinn dessen, dass weniger oft mehr
ist.
(Winfried Stanzick; 04/2006)
Susa Hämmerle, Mathias Weber: "Der
Ich-will-mehr-Bär"
Annette Betz, 2006. 24 Seiten. (Ab 3 J.)
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