Franz Sales Sklenitzka: "Keine Chance für Harold?"


Ob rosa Aprilmaikäfer oder Drachen - dieser Autor kann über alles schreiben. Warum also nicht auch über Fußball. Wie ich Fußball nur mit diesen Fantasiewesen vergleichen kann? Ja, ich gebe es zu, ich bin ein weibliches Wesen. Eines, das eher denn Raum verlässt, wenn im Fernsehen ein Match losgeht und nur zu den spektakulären Toren gerufen werden will, die Wiederholung genügt vollkommen. 
Tja, und ich habe mich mit diesem Buch blendend amüsiert. (Ich hoffe, dass das nun für das Buch spricht!) 

Fußball im Mittelalter - was für eine Kombination - dachte ich. Mag sein, dass der Autor sein Faible für diese Epoche gerade ein wenig extrem auslebt, aber ist doch nett ausgedacht - habe ich geglaubt! Und dann bin ich bis auf Seite 119 gelangt, zum letzten Kapitel, das da heißt: "Kleine Chronik des Fußballs". Da lernt man dann staunend die Geschichte des Fußballs von den Chinesen bis zu den Fußball WMs kennen. Und für die jungen Fußballnarren sind anschließend auch noch die Quellen angegeben, damit sich Fiktion und Realität nicht zu sehr vermischen. Ein Sachroman also. 

Offen bleibt nur: ist Harolds Großmutter - ihrer Version der Historie - zu glauben? Sie kann dem neuen Sport nämlich nichts abgewinnen. Es ziemt sich nicht für einen Christenmenschen, meint sie, eine mit Luft gefüllte Kuhblase mit Füßen zu treten, die inzwischen einen dänischen Totenschädel ersetzt hat. Denn so hat sich das Spiel entwickelt, weiß die Granny zu berichten: Der Totenkopf eines der verhassten dänischen Besatzer wurde mit Füßen traktiert ... 

Aber beginnen wir am Beginn: England, 13. Jahrhundert. Harold, kaum älter als elf, fiebert seinem ersten Fußballmatch entgegen, dem Spiel gegen das Nachbardorf. Sieger soll das Dorf sein, dessen Bewohner es schaffen, die mit Luft gefüllte Kuhblase in die Mitte des anderen Dorfes zu treiben - nur mit den Füßen. Ein Match mit rund hundert Spielern, das stundenlang dauern kann und von mancherlei Zufällen abhängt - wie Weidezäunen, Schafherden, einem Bach oder dem stürmischen Nordseewind ...

Der mit Spannung erwartete Wettkampf beginnt. Tatsächlich nimmt er einen unvorhergesehenen Verlauf. Nach vielen Zwischenfällen steht der wieselflinke Harold aus Hampstead kurz vor dem Höhepunkt seiner Kickerlaufbahn. Es ist ihm gelungen, die Meute der Verfolger abzuhängen und nun keucht er, die unberechenbar hüpfende Blase vor sich hertreibend, den ersten Hütten von Woodstock entgegen ...

Also, wie schon eingangs dahingemotzt: Fernsehfußballmatches bleibe ich fern. Auf einem Livespiel war ich schon mal und habe mitgejohlt. Das war aber nichts gegen das literarische Vergnügen, das ich bei Harolds großem Match gehabt habe. Können Sie sich ein Fußballmatch ohne Stadium vorstellen? Einfach querfeldein?! Das ist das Größte! Und Sklenitzka sollte man als Livekommentator hören. Keine langweiligen weißen Striche, sondern Hecken, Wälder, Abhänge, Wiesen, ein Bach - alles, was die freie Wildbahn für einen Kicker so als Hindernis gedacht hat. Das ist ja viel spannender als jedes Ballspiel. American Football, Rugby - vergessen Sie das. Stellen Sie sich ein Städtematch vor, bei dem es keine Tore gibt, sondern das Leder auf den Hauptplatz der gegnerischen Partei gekickt werden muss. Die nächste Dimension des Fußballs. Und im Mittelalter haben sie das schon gehabt! 

Hampstead siegt, dank Harold! Bei einem großen Fest ist er der Held des Tages. Doch jäh wird die Siegesfeier gestört: König Heinrich II., zufällig in der Nähe auf Jagd, will sich von der Zielsicherheit seiner Woodstocker Bogenschützen überzeugen. Ist es die Aufregung? Oder sind die Männer von Woodstock wirklich außer Übung? Die Schützen versagen jedenfalls kläglich: Kein einziger Pfeil trifft die Scheibe. Schuld daran kann nur dieses neue Fußballspiel sein! König Heinrich ist erzürnt. Kurzerhand verbietet er das Spiel mit der Blase, und so bleibt einem vielversprechenden Fußballtalent des 13. Jahrhunderts wieder nur das Schafe Hüten. Ob sich der König eines Tages nicht doch erweichen lässt? 

Ab 10 Jahren, und bitte auch den Eltern borgen. Dieses Buch verspricht höchsten Genuss.

(Die Prinzessin; 02/2004)


Franz Sales Sklenitzka: "Keine Chance für Harold?"
NP Verlag, 2003. 128 Seiten; mit zahlreichen Abbildungen.
Ab 8 Jahren und für die ganze Familie.
ISBN 3-85326-270-8.
ca. EUR 12,90. Buch bestellen

... mehr von Franz Sales Sklenitzka?