Peter Schössow: "Gehört das so??!"

Die Geschichte von Elvis


Es kann im Leben eines Menschen nichts Schlimmeres passieren als der Tod eines geliebten Mitmenschen. Da zerbricht etwas in einem. Eine Leerstelle tut sich im Herzen auf, die nie wieder gefüllt werden kann. Ein Mensch ist für immer gegangen in eine uns unbekannte Welt.

Alles im Leben ist vergänglich. Das kleine Mädchen läuft mit einer riesigen Lacklederhandtasche durch den Park und schreit wildfremden Menschen entgegen: "Gehört das so?!?" Was es zum Ausdruck bringen will, und zunächst niemand decodieren mag, ist eine ungemein bedeutende Fragestellung.

"Warum musste das gerade Elvis passieren? Warum ausgerechnet ihm? Warum ist er tot? Warum singen die Vögel im Park noch? Warum ist nicht alles still? Gehört es sich, dass mein Kanarienvogel so einfach stirbt und mich allein zurücklässt?"

Eine witzige Gruppe von Zeitgenossen in Gestalt eines winzigen Männchens mit Koffer, einer alten Schreckschraube, eines Teddybärs, eines Hundes und eines geflügelten, menschenähnlichen Dingsbumms sind an dem Schicksal des kleinen Mädchens interessiert, und die riesige, alte Frau wendet sich an das kleine Mädchen mit der Frage: "Was ist eigentlich los mit dir?" Die Gruppe nimmt schließlich Anteil an dem Tod des Kanarienvogels Elvis. Das kleine Mädchen erzählt die Geschichte von Elvis, und was er so alles drauf hatte.

Haustiere begleiten oft viele Jahre das Leben der Menschen. Sie sollten mehr sein als bloße "Spielkameraden". Sie sind ebenso Teile der Schöpfung, wie wir Menschen sie darstellen. Wenn der Lieblingskamerad eines kleinen Mädchens stirbt, dann bricht für das Kind eine Welt zusammen. Es ist so, als wäre ein ihm nahestehender Mensch gestorben.

Vielleicht ist das Mädchen viel allein und wird von seinen Eltern vernachlässigt. Es ist ja auch sehr besorgniserregend, dass es so ganz allein im Park unterwegs ist. Ein winziges Mädchenn, und weit und breit keine Eltern... Und jetzt fühlt es sich total allein.

Das Mädchen hat Glück. Seine neuen Freunde wissen, was zu tun ist. Das Mädchen muss Abschied nehmen von Elvis. Es muss loslassen. Das fällt ihm natürlich sehr schwer. Aber es geht nicht anders.

Und so begraben sie den Kanarienvogel Elvis würdevoll, und das kleine Mädchen ist ein bisschen erleichtert. Es wird Elvis nie vergessen können; aber es hat Abschied genommen. Der Abschiedsschmerz ist groß; aber noch größer ist der Schmerz, nicht Abschied nehmen zu können.

Ein kleines Mädchen stapft mit einer großen Lacklederhandtasche durch den Park. Es ist allein. Ganz allein. Das darf eigentlich nicht sein. Und doch passiert es. Ein kleines Mädchen trägt einen toten Kanarienvogel spazieren und ist furchtbar traurig. Die Eltern sind nicht zu sehen. Sie sind unsichtbar. Es ist vielleicht vom Autor gar nicht mal beabsichtigt, dass er ein kleines Mädchen absolut allein und auf sich gestellt durch die Welt stiefeln lässt. Vielleicht ging es ihm viel mehr um den Trost und die Notwendigkeit, von geliebten Menschen Abschied zu nehmen, wenn sie gestorben sind.

Dennoch ist dieser Aspekt wichtig: Ein kleines Mädchen, das womöglich sein bisheriges Leben lang einen gefiederten Freund hatte, mit dem es unzählige schöne Stunden verbracht hat, darf nicht in seinem Kummer und Schmerz allein gelassen werden, wenn dieser so wichtige Freund gestorben ist!

Das Mädchen bräuchte Menschen, die es in die Arme nehmen und seinen Schmerz teilen. Wildfremde Menschen fühlen sich dazu auserkoren und stehen ihm hilfreich zur Seite. Doch wenn es nach Hause geht, wird es womöglich wieder auf eine kalte Umgebung treffen, und wird leise in ihren Polster weinen, weil es sich nicht aussprechen kann ...

Das vorliegende Buch ist zweifellos als ein Trostbuch zu verstehen und kann diesbezüglich Kindern eine wunderbare Hilfestellung sein. Der Aspekt der sozialen Kälte tut sich für den erwachsenen Leser sofort auf, wenn er zu blättern beginnt. Wenn der Erwachsene dem Kind aus dem Buch vorliest, so sollte die Geschichte am Ende nicht unkommentiert bleiben. Großer und kleiner Mensch sollten darüber reden.

Und wenn Ihr Kind danach fragt, warum das Mädchen so alleine gelassen wird in ihrem Kummer und Schmerz, so werden Sie sicher die richtige Antwort parat haben.

Der Autor und Illustrator Peter Schösser wurde 1953 geboren und lebt in Hamburg, wo er an der Hochschule für Gestaltung auch studiert hat.

(Klabauter; 03/2005)


Peter Schössow: "Gehört das so??!"
Hanser, 2005. 40 Seiten. (Ab 4 J.)
ISBN 3-446-20563-2.
ca. EUR 15,40.
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