"Leonardo da Vinci"
Aus der Reihe "Kinder entdecken berühmte Leute". Erzählt von Christine Schulz-Reiss. Mit Bildern von Paolo Friz.
Der
"Kindermann Verlag" begeht anno 2019 das 25-jährige
Jubiläum seines Bestehens. In diesem Vierteljahrhundert sind
wunderbare Bücher entstanden, durch die Kinder Weltliteratur
kennenlernen können. Des Weiteren gibt es mehrere Serien, eine
davon ist "Kinder entdecken berühmte Leute". Das erste Buch
hierzu behandelte
das
Leben von Johannes Gutenberg, das zweite beschäftigt
sich mit Leonardo da Vinci.
Es ist eine besondere Kunst, die Biografien von Menschen so
darzustellen, dass sie Kinder faszinieren. Nichts ist trockener und
langweiliger als bloße Jahreszahlen mit Ereignissen zu
koppeln, die für die porträtierte Person eine
Bedeutung gehabt haben mögen. Womit Kinder wohl am besten
erreicht werden, ist die Verpackung wesentlicher Lebensstationen in
Geschichten. Entscheidend ist dabei die Vernachlässigung von
nebensächlichen Aspekten. Sollten in der Schule noch so
absurde Details in den Unterricht einfließen, so haben
kunstfertige Bücher den Vorteil, die Fantasie der Leser zu
beflügeln. Und was die Fantasie betrifft, so haben die Kinder
Erwachsenen wohl einiges voraus bzw. verlernen die Erwachsenen
irgendwann, was sie als Kinder ausgezeichnet hat.
Gerade die Biografie von Leonardo da Vinci ist dahingehend
hochinteressant. Denn der am 15. April 1452 in Anchiano, einem Ortsteil
des Dorfes Vinci zwischen Florenz und Pisa, geborene Leonardo war als
Kind sehr, sehr neugierig. Er beschäftigte sich mit Raupen und
Käfern und liebte es, den Vögeln beim Fliegen
zuzusehen. Er durchstreifte als kleiner Bub stundenlang die Wiesen und
Wälder, und viele Jahre später zeichnete er dann
allerlei Tiere und Pflanzen, die er auf seinen ersten
Streifzügen entdeckt haben mochte. Er schrieb auch
Fabeln
und erweckte damit Tiere, Pflanzen oder sogar ein Blatt Papier zum
Leben. Voraussetzung für Leonardos Entwicklung zum
Künstler hin war also zweifellos seine Fantasie.
Christine Schulz-Reiss erzählt aus dem Leben Leonardo da
Vincis, und der Leser kann dabei dem Universalgenie spielerisch
über die Schulter schauen. Wir begleiten Leonardo also in die
erste Werkstatt, wo er ab dem Alter von 16, 17 Jahren sozusagen seine
Lehrjahre bestritt, und sein Meister Veroccio war. Die Werkstatt, die
sich im prächtigen Florenz befand, wurde auch von
Botticelli
und Perugino, zwei später ebenfalls berühmten
Männern, besucht. Es ging in erster Linie darum, grundlegende
Dinge zu lernen. So etwa, wie Farben hergestellt werden, wie diese auf
Holztafeln gemalt wurden, und wie es sich vermeiden ließ,
dass die Farben nach einer Zeit verblassten oder nicht hielten. Wir
sehen Leonardo dabei zu, wie er sich mit dem letzten Abendmahl und der
Mona Lisa abmüht. Erstaunlich hierbei ist, dass er - angeblich
- nur knapp zwei Dutzend Bilder gemalt hat bzw. jedenfalls diese Anzahl
von Bildern angenommen wird. Tatsächlich kann das Malen mehr
als Ergebnis seiner Vorstudien angesehen werden. Leonardo interessierte
sich sehr für die Beschaffenheit des menschlichen
Körpers, er schnitt auch Leichen auf, um hinter die
Geheimnisse des Körpers und seiner inneren Organe zu kommen.
Er war bemüht, seine Bilder naturgetreu zu malen und
sämtliche Aspekte zu berücksichtigen, die dieses
Unterfangen möglichst perfekt gelingen lassen mochten.
Leonardo war auch Wissenschafter, der skizzenhaft schon
Fluggeräte wie Hubschrauber vorhersah, und sogar ein U-Boot
entstand vor seinem geistigen Auge. Er galt überdies als
"Kriegsingenieur" und dachte sich allerlei grauenhaftes
Kriegsgerät aus. Auch in ihm tobten also
Widersprüche, kurios, dass er sich andererseits als "Pazifist"
eingestuft hat.
Einmal baute er sogar eine Art Fluggerät, und ein tapferer
Kerl war bereit, mit diesem einen Flugversuch zu unternehmen. Das
Abenteuer Fliegen endete für den armen Mann aber bereits bald
nach dem Abheben, und es ist nur einer Riesenportion Glück zu
verdanken, dass er den Unfall mit schweren Verletzungen
überlebt hat.
Wer durch diese von Paolo Fritz um wunderbare Bilder ergänzte
Biografie blättert, der kommt nicht umhin, mit
fragwürdigen Seiten von Leonardo da Vinci konfrontiert zu
werden. Er schreckte seine Zeitgenossen, indem er irgendwelche
"Ungeheuer" konstruierte, die aus totem Getier zusammengebastelt waren.
Wer denkt da nicht an "Frankensteins Ungeheuer"? Ob Leonardo, der nie
zusammen mit Frauen gesehen worden sein soll, nur homosexuelle Kontakte
mit käuflichen Männern hatte oder darüber
hinaus auch ernsthafte Beziehungen mit Männern einging, ist
nicht bekannt.
Nachgewiesen ist allemal, dass Leonardo da Vinci Linkshänder
war und in Spiegelschrift zu schreiben verstand, die in erster Linie er
selbst lesen konnte.
Leonardo da Vinci, der am 23. April 1519 sein Testament diktiert hatte
und weit über 10.000 Seiten mit Skizzen und Notizen sowie die
"Mona Lisa" einem Schüler vermachte, starb wenig
später am 2. Mai 1519. Er wurde in der Kirche St. Florentin
beigesetzt. Die Kirche wurde während der
Französischen Revolution zerstört, sodass es keine
Grabstätte mehr für ihn gibt.
Das 25-jährige Jubiläum des "Kindermann Verlags"
verbindet sich 2019 mit dem 500. Todestag von Leonardo da Vinci. Der
nun vorliegende Band besticht durch eine eindringliche
Erzählung, die auch Schwächen des Universalgenies
nicht beiseite lässt, und Bilder, die die damalige Welt
eindrucksvoll lebendig werden lassen.
Die 1956 geborene Christine Schulz-Reiss ist als Kinder- und
Jugendbuchautorin tätig und agiert auch als freischaffende
Journalistin. Sie studierte Geschichte, Kommunikationswissenschaften
und Politik in Erlangen und München. Bekannt ist sie
insbesondere aufgrund ihrer Jugend-Sachbuch Reihe "Wer war das?" und
die Reihe "Nachgefragt".
Der Illustrator Paolo Friz, geboren 1966, gilt als einer der
fünf besten Illustratoren Deutschlands. Er studierte
Illustration in Luzern und absolvierte sein Masterstudium
in London. Seine Bilderbuchtitel sind in den verschiedensten
Übersetzungen erschienen, von Französisch, Koreanisch
über Chinesisch bis hin zu Arabisch.
(Klabauter; 02/2019)
"Leonardo
da Vinci"
Erzählt von Christine Schulz-Reiss. Mit Bildern von Paolo Friz.
Kindermann Verlag, 2019. 36 Seiten. (Ab 8 J.)
Buch
bei amazon.de bestellen