Dino Buzzati: "Wie die Bären einst Sizilien eroberten"
Kriegerische Literatur für Kinder?
In einer Neuübersetzung ist der Klassiker der italienischen Kinderliteratur im Hanser Verlag wieder erschienen.
"Vor undenklich langen Jahren ....", so beginnt ein uralter Mann
Vorübergehenden auf ihre Frage nach einem Steinhaufen in der Ecke eines
Gartens aufgehäuft zu erzählen ...
Und er erzählt die Geschichte von dem großen weisen Bärenkönig Leonzio,
seinem Söhnchen Tonio, dem tyrannischen Großherzog, dem Hofastrologen
Professor von Ambrosia, seinem Zauberstab, dem eitlen Bären Salnitro,
dem tapferen Barbone, dem weisen Teofile und noch vielen anderen mit
besonderen Fähigkeiten begabten Bären.
Er erzählt aber auch vom gefürchteten Troll, der Katze Mammone, die ein wahres
Monster darstellt, und der alles verschlingenden Seeschlange. Bären- und Menschengespenster
bevölkern verhexte Burgen, in Grotten wohnen giftige Drachen,
und überhaupt sah es in Sizilien damals ganz anders aus als heute.
Von schneebedeckten Bergen führt uns der Dichter in seiner
märchenhaften Schilderung in grüne Täler mit Flüssen, dichte Wälder -
in eine wunderschöne Landschaft. Er beschreibt die sagenhafte
Hauptstadt Siziliens, befestigt mit hohen, starken Mauern und die
Hauptfestung Kormoran. Aber niemand kann sich heute an die einst
berühmten Paläste aus zitronengelbem Marmor, die goldbedeckten Kirchen,
an die Vergnügungsparks und Theater erinnern, so lange ist das alles
her ...
Dino Buzzati führt die Leser mittels einer zauberhaft poetischen
Sprache, teils in Prosa, teils in Versen, in die märchenhafte Welt
einer Parabel über Menschen und Bären. Entzückende Illustrationen vom
vielseitig begabten Autor ergänzen die Geschichte vom Bärenkönig
Leonzio, der seine Bären in einer schweren Hungerzeit von den
schneebedeckten Gipfeln hinunter ins Tal zu den Menschen führt.
Gleichzeitig möchte er sein Söhnchen Tonio wieder finden, das ihm die
Jäger des grausamen Großherzogs geraubt haben. In ihrer Not glaubten
sie, als sie die Felshänge hinterschauten, dort unten müsse das
Paradies sein. Die Bären und ihr König wussten aber nicht, wie die
Menschen wirklich waren: böse und hinterlistig. Aber da sie keine
Ahnung hatten, hatten sie auch keine Furcht.
Die folgenden Kapitel erweisen sich als recht drastische Schilderungen der Kämpfe zwischen Bären und Soldaten des Großherzogs.
Sollen in Büchern für Kinder Grausamkeit, Hinterlist, Betrug, aber auch
Mut und Tapferkeit Platz haben, oder sollen sie frei davon bleiben?
Diese Frage wird die Leser sicher in zwei Lager spalten. Ich denke,
dass die tiefen Emotionen, die hier geweckt werden, durchaus zu
vertreten sind. Der Erzählstrom ist auch so gelenkt, dass die Kinder
immer begleitet und die Taten sehr wohl bewertet werden. Besonders
deutlich werden die guten und bösen Seiten eines Menschen in der
Gestalt des Zauberers Ambrosia gezeigt. Er opfert trotz all der
Schurkereien, die er verbrochen hat, seinen letzten Zauberspruch, um
den kleinen Tonio wieder ins Leben zurückzurufen.
Diese Seiten des Buches gehören wohl zum Subtilsten, das über die
innere Befindlichkeit eines Menschen geschrieben wurde. Seine Rührung,
beschrieben als "Berührung", seine Wandlung wird mit innerlich tief
beeindruckenden Worten geschildert. Und das ist etwas, das man auch
Kindern nicht vorenthalten sollte.
In einer wunderbaren Zeit leben nun Bären und Menschen in Eintracht zusammen.
Doch dann führt der Reichtum die Bären auf die Wege des Lasters, sodass der
Bärenkönig auf seinem Totenbett bestimmt, dass die Bären wieder in ihre Berge
zurückkehren sollen. Nur dort könnten sie ihren Seelenfrieden finden.
Keine heile Welt, viele Konflikte, aber alles verpackt in eine
märchenhafte, fantasievolle Geschichte; sicherlich kein alltägliches
Kinderbuch, gewiss aber eines, das zum Nachdenken anregt.
(Helene Boden; 03/2005)
Dino Buzzati: "Wie die Bären einst
Sizilien eroberten"
(Originaltitel "La famosa invasione degli orsi in Sicilia")
Aus dem Italienischen von Heide Ringe.
Mit vielen farbigen Illustrationen des Autors.
Hanser, 2005. 144 Seiten. (Ab 8 J.)
ISBN 3-446-20194-7.
ca. EUR 16,40.
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Dino Buzzati wurde am 16. Oktober
1906 in San Pellegrino geboren. Er war promovierter Jurist, arbeitete jedoch als
Journalist. Von 1928 bis zum Krieg und nach dem Krieg bis zu seinem Tod war er
Redakteur beim "Corriere della Sera". Im Krieg war Dino Buzzati
Marineoffizier und Kriegsberichterstatter in Nordafrika und auf Sizilien. Zu
seinen bekannten Werken zählen u.a. "Das Geheimnis des Alten Waldes",
"Das Haus mit den sieben Stockwerken", "Panik in der Scala"
und "Die Tatarenwüste".
Dino Buzzati starb am 28. Jänner 1972 in Mailand.
"Panik in der Scala"
Drinnen Mailands Opernereignis des Jahres, draußen
beunruhigende Vorgänge: Eine Demonstration? Ein Putsch? Oder gar eine
Revolution? Niemand weiß Genaueres, nur vage Gerüchte dringen vor bis zum
Premierenpublikum. Dieses Kabinettstück moderner Erzähldramaturgie
demonstriert mit viel Witz und Verve, wie die Damen und Herren der guten
Gesellschaft nach und nach ihre Haltung einbüßen, wie die Großen klein, die
Glänzenden blass und die Vorlauten still werden.
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