Birte Müller: "Auf Wiedersehen, Oma"


"In einem Dorf hoch oben in den Anden, lebt Felipa. Ihre Großmutter ist gestorben. Sie war sehr alt. Niemand konnte sagen wie alt sie war, nicht einmal sie selber. Felipa ist traurig, obwohl sie weiß, dass die Seelen der Menschen nicht sterben, sondern weiterleben. Aber wo ist die Seele der Großmutter?"

Und so macht sich das kleine Mädchen, Felipa, auf die Suche nach der Seele ihrer Großmutter. Sie fragt alle, die sie kennt. Den schlauen Esel Burro, das Schwein Chancho, das mit seiner guten Nase alles absucht und schließlich auch die Lamas der Großmutter. Die müssen es ja wissen. "Doch auch die Lamas bleiben stumm." Felipas Mutter weiß, wo die Seelen wohnen, und so steigt Felipa ganz alleine in die Berge.

Dieses Abenteuer geht gerade noch einmal gut aus. Und Felipa beginnt einen inneren Weg zu ihrer Großmutter zu finden.

Menschen werden in jedem Alter mit dem Tod konfrontiert. Stirbt ein geliebter und naher Mensch, sind Trauer und Sehnsucht schwierig zu verarbeiten. In diesem Buch wird ohne vereinfachende Erklärungen die Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten beleuchtet und in einer liebevollen Geschichte dargestellt.

Zu Beginn steht der Glaube, dass die Seelen weiterleben. Das lässt in dem Kind Felipa den Wunsch wach werden, nach seiner Großmutter zu suchen. Wer ihr am nächsten steht, wird zuerst gefragt. Der schlaue Esel und das Schwein mit der ausgezeichneten Nase sind höchst stimmige Figuren in der in den Anden spielenden Geschichte. Man findet sicher in der nahen Umgebeung des lesenden Kindes eine Entsprechung, welche die symbolische Figur des Esels und des Schweins deutlich macht. Danach wendet sich Felipa an Tiere, mit denen ihre Oma tagtäglich zu tun hatte: die Lamas. Die große Verbundenheit zwischen allen Tieren und Menschen in Felipas Welt wird dadurch erzählt. Mutter und Vater treten erst später auf. Sie sind rettende und erklärende Figuren. Mit ihnen gelingt es Felipa dann, den Tod der Großmutter zu verarbeiten.

Das Dorf, in dem Felipa wohnt, bereitet gerade ein Fest für die Toten vor. Es ist Anfang November.... .

Dieses Buch bietet eine einfühlsame Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit diesem großen Thema. Die Sprache ist ruhig und klar. An keiner Stelle wird ein womöglich "tränendrückendes" Gefühl erzeugt. Im Gegenteil strahlt die Geschichte vor allem Freude und Ruhe aus. Felipa denkt nach. Felipa wundert sich. Und Felipa erkennt, dass sie in Gedanken immer bei ihrer Großmutter bleiben kann.

Sprache und auch Schrift sind sicher dazu geeignet, das Buch selbst zu lesen. Für kleine Zuhörer sind vor allem die rein bildlichen Doppelseiten der Ruhepunkt zur Verarbeitung des eben Gehörten. Man betrachtet Felipa bei den Lamas und kann überlegen, was nun geschehen wird. Man steigt mit Felipa und den Dorfbewohnern den Berg hinauf. Wo gehen sie hin?

Die erzählerische Dynamik der Bilder ist groß. Sie bestimmen das Tempo der Geschichte. In kräftigen Rot- und Gelbtönen wird Felipas Geschichte erzählt. Die Bilder sind so plastisch, dass sie zum Angreifen einladen. Sie ziehen den Leser/Betrachter in die Geschichte hinein. Oder lassen den Leser auch vor einem beinahe aus dem Bild ragenden Schweinerüssel zurückweichen!

Ein ausgezeichnetes Kinderbuch! Einfühlsam und klug. Mit großartigen farbintensiven Bildern. Für kleine Leser und Geschichtenbetrachter.

Birte Müller wurde am 7. September 1973 in Hamburg geboren, wo sie auch heute lebt. Nach dem Abitur reiste sie für ein halbes Jahr nach Australien, 1998 studierte sie in Mexiko ein Semester freie Kunst und arbeitete anschließend in Bolivien an ihrer Diplomarbeit, wo auch "Auf Wiedersehen, Oma" entstand.

(Die Prinzessin; 10/2003)


Birte Müller: "Auf Wiedersehen, Oma"
Neugebauer, 2003. 36 Seiten. (Ab 3 J.)
ISBN 3-85195-957-4.
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