Helmut Hornung: "Streifzüge durch das All"
Forscher enträtseln ferne Welten
Die
"Windpocken"
unserer Sonne
Helmut Hornung unternimmt eine spannende, spielerische, gleichzeitig
wissenschaftlich fundierte Reise in die Weiten unseres Weltalls. Dabei
lässt er
den jungen Leser das eine oder andere Mal über dessen Wunder
staunen.
"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war
wüst und leer,
und es war finster auf der Tiefe; (...). Und Gott sprach: Es werden
Lichter an
der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht (...). Und Gott
machte zwei
Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein
kleines Licht, das die
Nacht regiere (...). Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges
Getier,
ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes
(...). Und es
geschah so."
Diese Worte aus dem Alten Testament, aufgeschrieben vor Tausenden von
Jahren,
bezeugen bereits die Ehrfurcht des Menschen vor unserem Leben
spendenden Stern,
der in steter Wiederkehr seine Kreise über das Firmament zieht
- die Sonne.
Nach Himmel und Erde werden zuerst Sonne und Mond geschaffen, dann erst
Menschen, Tiere und Pflanzen.
Auch die Inka, Azteken oder Indianer Nordamerikas beteten mit der Sonne
ihre Götter
an. Die alten Ägypter entfalteten gar einen besonderen
Sonnenkult.
Nun befasst sich Helmut Hornungs wunderbares Buch keineswegs mit
übernatürlichen
Wesen, Gottheiten oder Religion, sondern der 1959 geborene Autor und
leitende
Wissenschaftsredakteur der "Max-Planck-Gesellschaft" möchte
Kindern
ab zwölf Jahren Astronomiekenntnisse vermitteln und ein
bisschen von seinem
Enthusiasmus übertragen. Bereits 1993 wurde er mit dem
"Deutschen
Jugendliteraturpreis" für das beste Jugendsachbuch ("Safari
ins Reich
der Sterne") ausgezeichnet. Mit "Streifzüge durch das All" ist
ihm ein weiterer Treffer gelungen. Hornung versteht es
großartig, Astronomie
als äußerst lebendige Wissenschaft darzustellen.
Fasziniert und spannend
verfolgt der Leser die Reise zu den Grenzen und
"Veränderlichkeiten"
von Raum und Zeit. Meinte man noch vor vier Jahrzehnten, dass das
Weltall gerade
einmal acht Milliarden Jahre alt sei, ist man sich heute ziemlich
sicher, dass
es bereits 13,7 Milliarden Jahre "auf dem Buckel hat". "Gut
gehalten!", möchte man da spontan ausrufen.
Die Sonne und ihre Geschwister
Doch zurück zur Sonne. Eines der neun Kapitel widmet Hornung
unserem
Muttergestirn, ohne das es kein Leben auf der Erde gäbe, ja
ohne das die Erde
gar nicht existierte. "Denn unser Planet und sein Mutterstern
wurden
beide in ein und derselben Urwolke geboren", erklärt
der Autor. Er
berichtet von periodisch auftretenden "Windpockenanfällen"
-
den Sonnenfleckenzyklen - der heißen Gaskugel (5.500 Grad
Celsius an ihrer
Oberfläche, 15 Millionen Grad im Inneren), von ihrem
Lebensmotor - der
Atomfusion mit dem Namen "Proton-Proton-Zyklus"
oder fühlt
ihren "Puls".
Wie die Sonne (analog auch ihre unzähligen "Geschwister")
überhaupt
entstanden ist, weiß Helmut Hornung ebenfalls
überaus anschaulich in Szene zu
setzen:
"Vor fünf Milliarden Jahren bin ich zur Welt
gekommen. Meine Geburt
verlief ganz merkwürdig. Zunächst gab es da eine
riesige Wolke. Sie bestand zu
mehr als 70 Prozent aus Wasserstoff und zu rund 28 Prozent aus Helium.
Man muss
nämlich wissen, dass diese beiden Elemente im Universum am
häufigsten
vorkommen. (...) Plötzlich verspürte ich einen Druck.
Ich verkrampfte mich
noch einmal. Dann war alles vorbei. Ich atmete, mein Herz schlug ruhig
und
gleichmäßig. Ich begann selbstständig zu
leben. Tief in meinem Herzen hatte
die Kernfusion gezündet, verbrannte jetzt Wasserstoff zu
Helium. Meine Geburt
dauerte nicht allzu lange, nur einige Dutzend Millionen Jahre. (...)
Krank war
ich noch nie. Mein Fusionsreaktor arbeitet tadellos. Ich kann nicht
klagen,
sitze ich doch ganz sicher auf meinem Posten im
Hertzsprung-Russell-Diagramm auf
der Hauptreihe.
Oh, Verzeihung, ich werfe mit Fachausdrücken um mich.
Hertzsprung-Russell-Diagramm? Was soll das denn sein? Das muss ich
erklären!
..."
Auch wenn die Lektüre aufgrund der tiefgreifenden
wissenschaftlichen Thematik
äußerste Konzentration erfordert, weiß der
Autor sie immer aufzulockern und
gut verständlich darzubieten. Kleine lustige Einsprengsel oder
fiktionale
Geschichten, die im "Science-Fiction"-Bereich
angesiedelt sind
bzw. den Leser in die Vergangenheit "beamen",
sorgen für
kurzweiligen Lesegenuss. Interessante Verweise zu aktuellen Themen
verursachen
eine unwiderstehliche Sogwirkung.
Pulsare und Quasare gekonnt erklärt
Hornung eröffnet sein Buch mit der im Frühjahr 2007
in allen Medien verkündeten
Schlagzeile: "Zweite Erde entdeckt!" Der angeblich
erdähnliche
Planet Gliese 581 sorgte für diesen elektrisierenden Wirbel,
der sich
mittlerweile als doch nicht so vielversprechend erwies.
Weiter geht es mit dem Aufbau unseres Sonnensystems, zu dessen
einzelnen
Planeten jeweils ein kurzer Abstecher unternommen wird. Der Autor
erläutert
wissenschaftlich fundiert, aber immer anschaulich und
verständlich, den Aufbau
unserer Galaxie - der Milchstraße -, welche Sternbilder den
Himmel in den
jeweiligen Jahreszeiten beherrschen, wie Temperatur, Masse und
Entfernung der
einzelnen Sterne ermittelt werden können, was rote Riesen oder
weiße Zwerge
sind, oder was man sich unter dem Sog eines mörderischen
Staubsaugers - dem
schwarzen Loch - vorstellen muss. Newtonsches Gravitationsgesetz, die
Rotverschiebung des Lichts, Absorptionsspektrum, Pulsare und Quasare
oder die
kosmische Inflation sind hernach keine großen Unbekannten
mehr.
Im letzten Kapitel mit dem Titel "Woher kommen wir? Wohin
gehen
wir?" versucht der Wissenschaftsjournalist gar Fragen solcher
Art zu
beantworten: Wie ist das All beschaffen? Wie ist es entstanden? Warum
ist der
Kosmos so groß wie er ist? Was zeichnet die dunkle Energie
und Materie aus?
Wird in 10 hoch 100 Jahren (eine Eins mit 100 Nullen!) unser Universum
wirklich
seinen Geist aushauchen?
Eine Unmenge an zum Teil farbigen Bildern und anschaulichen
Illustrationen von
Uwe Klindworth sorgen für zusätzliche Abwechslung und
dienen dem tieferen
Verständnis.
Jedes Kapitel endet mit dem sogenannten "Astrotipp",
der
vertiefende Informationen zu praktischen
Anwendungsmöglichkeiten bereithält.
Im Anhang sind der Plan der Astronomie-Ausstellung im "Deutschen Museum
München"
sowie ein Astro-Quiz zu finden, worin das gelesene Wissen auf den
Prüfstein gestellt
wird. Literaturhinweise, Internetadressen und ein
ausführliches Register ergänzen
dieses vorbildliche und empfehlenswerte Buch.
Fazit:
"Die Atome unseres Körpers stammen aus dem Innern
eines Überriesen und
wurden bei einer Supernova freigesetzt. Diese fremden Sonnen mussten
sterben,
damit der Mensch geboren werden konnte. Unsere Wiege steht im All. Wir
sind Kinder des Kosmos!", schreibt Helmut Hornung in seinem
großartigen
Sachbuch für Kinder ab 12 (besser 14) Jahren. Er
weiß unser Universum auf
reichlich 300 spannenden Seiten großartig zu
erklären.
Ein äußerst empfehlenswertes Jugendbuch, das dem
interessierten Erwachsenen
ebenfalls einiges Wissenswerte zu bieten hat.
(Heike Geilen; 10/2008)
Helmut
Hornung: "Streifzüge durch das
All. Forscher enträtseln ferne Welten"
dtv Reihe Hanser, 2008. 319 Seiten. (Ab 12 J.)
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