Das Phänomen Perry Rhodan
Im
Jahr 1961 gründete K.H. Scheer gemeinsam mit seinem Freund Walter Ernsting alias
Clark Dalton die Serie "Perry Rhodan" und sollte damit einen unglaublichen Erfolg
einleiten.
Walter Ernsting verstarb am 15.1.2005. Er erfand den Namen des Weltraum-Helden,
und zudem einen absoluten Sympathiefaktor der Reihe: Gucky, den Mausbiber.
K.H. Scheer schrieb den allerersten Roman "Unternehmen Stardust" und
brachte es im Laufe der Jahre zu 76 Heften. K.H. Scheer verstarb bereits am
15.9.1991. Sein Freund Walter Ernsting schrieb unglaubliche 192 Hefte; darunter
den zweiten Roman der Serie.
Mit dem Ableben von Walter Ernsting sind die zwei Begründer der "Perry Rhodan"-Reihe
nicht mehr unter uns. Sie haben - das kann mit Fug und recht proklamiert werden
- ein Phänomen geschaffen. Eine Serie von mittlerweile weit über 2.000 Romanen
ist erschienen, und kein Ende abzusehen. Der Dritte im Bunde, welcher Perry
Rhodan maßgeblich beeinflusst hat, ist William Voltz. Er schrieb unglaublich
203 Romane und verstarb viel zu früh im Jahre 1984.
Der HJB-Verlag hat vor kurzer Zeit besonderes Engagement im Bezug auf "Perry Rhodan" bewiesen und die Leser der Serie befragt, welches ihre Lieblingsromane seien. Es sind insgesamt 20 Hefte als "Gold-Edition" geplant, von denen bislang 15 erschienen sind. Und die LeserInnen der Hefte beweisen Geschmack: Unglaubliche neun Romane von William Voltz sind unter den "Top 20" anzutreffen. Beliebtester Roman ist "Der Terraner", der das Jubiläumsheft Nummer 1000 darstellt. Von K.H. Scheer gibt es sieben Romane, die sich gut platziert haben. Wenig überraschend der sechste Platz, den "Unternehmen Stardust" belegte. Walter Ernsting belegte mit der Fortsetzung des ersten Heftes namens "Die dritte Macht" ebenfalls einen Platz in den "Top 20", wodurch sich die LeserInnen bald schon auf das zweite Heft der Serie in der "Gold-Edition" freuen dürfen.
Es begann ganz harmlos mit einer Reise zum Mond. Perry Rhodan war freilich an Bord, und Reginald Bull durfte nicht fehlen. Die beiden sollten sich als tragende Figuren der Serie herausstellen. Bereits in diesem ersten Heft kristallisiert sich heraus, was die entscheidenden Komponente dieser Serie sein mochten: Verwegene Abenteurer und viel Humor. Die philosophischen Komponente sollten sich im Laufe der Zeit immer mehr einmischen. Als Perry auf ein riesiges Raumschiff, das am Mond "notgelandet" ist, stößt, ist dies der erste Kontakt zu Leben abseits terranischer Ursprünge. Im Laufe der Jahrhunderte werden Zehntausende von mehr oder weniger intelligenten Lebensformen in unzähligen Galaxien vom Leser entdeckt werden können ... Doch zunächst ist er überrascht, ein im Untergang begriffenes Volk kennen zu lernen, welches im Namen des Tribuns Crest behauptet, der menschlichen Entwicklung weit voraus zu sein.
Das bestechende an Heft 1000, welches zum beliebtesten Roman der Serie gekürt worden ist, stellt die Fantasie und die an theologische Konzepte mahnende Energie von "ES" dar, die den Hauptteil des Szenarios ergeben. Weiters ist diesem Roman eine erstaunliche Zusammenfassung der Ereignisse vom "Unternehmen Stardust" angefangen bis zu Nummero 999 impliziert. Vieles wird offenbar, das für die Dynamik von "Perry Rhodan" gesorgt hat, und weiter sorgt. Das Phänomenale der Serie tritt unverdeckt zu Tage. Mächtigkeitsballungen, "ES", die Kosmokraten, und die Unsterblichkeit bekommen jenen Raum zugesprochen, der nunmehr als besonderes Instrumentarium der Serie etabliert ist.
"ES" ist jene Superintelligenz, die Milliarden von Bewusstseinsstrukturen in sich vereinigt und - salopp geschrieben - als eine Annäherung an "Gott" verstanden werden mag. Wenn Perry Rhodan in Heft Nummer 1000 den freischwebenden Ballungsraum "ES" betritt, wird dem unsterblichen Helden ganz schön schummrig zumute. Er spürt den Wunsch in sich, zum Teil von "ES" zu werden; und bekommt von der Superintelligenz den Auftrag, eben nicht zum Teil seiner selbst zu werden. "ES" ist nämlich in Gefahr, zerstört zu werden, wodurch im Endeffekt das ganze Universum in Gefahr ist. Perry Rhodan, der mit unglaublicher Macht ausgestattet ist, soll in Zukunft den Untergang von "ES" verhindern helfen, wobei ihm besondere Fähigkeiten beigebracht werden ... Es liest sich so, als geriete "Gott" höchstselbst in Gefahr, von der Bildfläche zu verschwinden. Die Worte von Rilke "Alles ist Eins" scheinen sich in diesem Raum, der "ES" genannt wird, zu erfüllen. In "ES" zu gelangen, mag für die Neuankömmlinge so sein, als träten sie "Gott" höchstpersönlich gegenüber. Diese Komponente ist ein ungewöhnlicher Aspekt der Serie, durch den allein sie großen Respekt verdient.
Die zweite bedeutungsvolle
Leistung der Roman-Serie ist es, dem Anthropozentrismus den Kampf angesagt zu
haben. Der Glauben des Menschen, er wäre der "Herr" über die Schöpfung und ansonsten
allein im unendlichen Universum, führt sich von Heft zu Heft mehr ad absurdum.
Wenngleich die Terraner eine wesentliche Bedeutung im Kontext der Ereignisse
haben, so ist es doch das Zusammentreffen verschiedenster Intelligenzien, die
sich in den entferntesten Galaxien befinden mögen, welche den außergewöhnlichen
Reiz der Reihe ausmachen.
Und selbst Perry Rhodan weiß viele Geheimnisse nicht zu entschlüsseln. Er ist
keineswegs allwissend, und hadert immer wieder mit seinem Schicksal, das unter
anderem von seiner Unsterblichkeit beeinflusst ist.
Die Dramatik der Unsterblichkeit ist vielleicht nirgendwo in dieser Serie besser ausgeformt worden als in "Der Gesang der Stille", dem bislang einzigen Gastroman des mittlerweile über Europa hinaus bekannten Science-Fiction-Autors Andreas Eschbach. Da wird äußerst konstruktiv über die Problematik der Unsterblichkeit philosophiert. Glück und Fluch dieser "Eigenschaft" werden gleichermaßen beleuchtet. Obzwar es nicht Perry Rhodan ist, der sich in diesem Sinne artikuliert, so ist er doch im Hintergrund als wesentliche Gestalt sichtbar, die den zwei Haupthelden über die Schulter schaut. Der große Traum der Menschheit, Unsterblichkeit zu erlangen, mag sich durch die enorme Bewusstseinsform von "ES" bewahrheiten ...
Kritiker der Heftreihe werden sicher nicht müde, die Einförmigkeit der Geschehnisse zu beanstanden. "Irgendwie ist es doch immer das Gleiche" mag ein Argument sein. Diese Betrachtungsweise ist jedoch nur dann möglich, wenn menschliche Schicksale in der Realität als austauschbar bezeichnet werden. Insofern dies zutrifft, haben die Kritiker recht. Ja; was X oder Y passiert, passiert vielleicht dem A und dem B in ähnlicher Weise. Somit ist es nicht mehr interessant. Es sind aber gerade die feinen Nuancen, die das Schicksal jedes einzelnen Menschen so unverwechselbar machen. Und gerade in den Perry Rhodan Romanen sind diese Nuancen oft nicht nur auf mikroskopischer Basis erkennbar. Jede Figur KANN dem Leser ans Herz wachsen oder aber nicht. Er kann mitleiden oder sich mit dem Protagonisten freuen. In "ES" wird Alles Eins, indem durch die Nuancen der Menschen ein bombastisches Bewusstsein ständig erweitert wird. Ist das nicht genügend "Material", um dieses Argument der "Gleichheit" als unsinnig beiseite zu schieben?
Perry Rhodan hat sich
im Laufe der Zeit zu DER Serie guthin entwickelt. Es mag schon vorgekommen sein,
dass es dem einen oder anderen Leser irgendwann zuviel wurde, oder aber andere
Leseerlebnisse in verstärktem Maß gesucht und gefunden wurden. Das ist auch
ganz im Sinne der Erfinder von "Perry Rhodan". K.H. Scheer und Walter Ernsting
wollten eine Science-Fiction-Serie schaffen, die sich im Laufe der Zeit etabliert.
Durch die Tatsache, dass seit der Veröffentlichung des ersten Heftes JEDE WOCHE
ein weiteres Heft erschienen ist, ergibt sich für jeden Leser jederzeit die
Möglichkeit, wieder in die Serie einzusteigen. Es mag Fanatiker geben, die jedes
einzelne Heft und auch die Sonderserien gelesen haben. Es mag aber auch Menschen
geben, die immer wieder mal im Laufe der Zeit auf einen Roman von Perry Rhodan
zurückgreifen, und eine Reise in unbekannte "Welten" machen möchten. Irgendwie
ist das Vertrauen sofort wieder da, wenn zu einem neuen Roman gegriffen wird.
Und das ist eine weitere "Botschaft" der Serie: Du kannst zu einem Teil der
Serie werden, ohne ALLES zu wissen, und jede Kleinigkeit zu verstehen.
So wie sich "ES" immer mehr ausweitet, expandiert die Leserschaft weiter. Die
Einen sind schon "ausgelastet", die Anderen unterliegen der Faszination. So
soll es sein, und damit erklärt sich das Phänomen Perry Rhodan ein weiteres
Mal ...
(Jürgen Heimlich)
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