"Dieser riesige, silbern leuchtende,
wunderbare Hudsonfluß! Ich blickte durchs Fenster meines Waggons auf
Schiffchen, die sich, als schwebten sie über dem straffen
dahingestreckten
Wasserspiegel, flirrend aufzulösen schienen. Bisweilen spannten sich
enorm
filigrane Riesenbrücken darüber: Wunderwerke einer Symbiose aus
Pioniergeist,
modernen Legenden und Infrastruktur. Drüben, fast einen Kilometer übers
Wasser
hinweg, flankierte ein dahingestreckter Hang die lethargische Poesie
dieses
Stroms. Villen leuchteten droben: sie hatten rote, tupfige Dächer und
darunter
ein leuchtendes protestantisches Weiß. Es sah aus, als gäbe es darum her
viel
Wald. Jedenfalls nicht nach der Nähe des sich aus Backstein,
Eisenträgern,
Glas und Beton aufgebäumten urbanen Brodelgebildes, als das Manhattan
Wilfried
Talisker immer erschienen war.
Den ich jetzt beobachten fuhr.
Er war in Ghent erfunden worden. Susanne Ajoub, Ignazio Vidal-Foch und
ich
hatten uns den prüde hypomanen Ton zerstreuen müssen, den die Leute in
Amerika
pflegten, ihre ständig gut aufgelegte Hysterie, die einen bereits
morgens mit
"Oh it's so great!" empfing und den ganzen Tag über verfolgte. Mit
aller Bosheit, derer Europäer fähig sind, imaginierten wir einen
Menschen, den
die Fügung über Nacht verdarb. Von heute auf morgen verließ er Karin und
die
Kinder, um sich dem Abenteuer zu verschreiben ... dem Abenteuer oder der
Selbstvernichtung: darüber waren wir nicht einig. (...)"
(Beginn von "In New York. Manhattan Roman." von Alban Nikolai Herbst)
"... der Deutsche Alban Nikolai Herbst ist dafür bekannt, dass er in seinen Büchern der Realität eine andere Welt gegenüberstellt - so auch in "In New York", einer Art fantastischem N. Y.-Führer, der sicher begeisterte Fans finden wird. Ein visionärer Architekt errichtet unter der Stadt ein "Under Manhattan". Ein erster Meilenstein soll das Konzert in der New Carnegie unter Maestro Olsen darstellen. Dieses Konzert will aber eine ominös bleibende Realistenfraktion unter allen Umständen verhindern. Zu diesem Zweck bedienen sie sich Taliskers, der pikanterweise vom Icherzähler erfunden worden ist und sich nun in dessen Gegenspieler wandelt. Im Gegensatz zu Herbst gleiten seinem Erzähler die Fäden der Geschichte aus der Hand: Talisker erschießt Olsen, sein Schlägertrupp prügelt das Ich aus dem Icherzähler, die Geschichte läuft beinahe aus dem Ruder, doch auf mirakulöse Weise findet das Konzert trotzdem statt."
(Gregor Patorski in der Rubrik "Aufgeblättert" im "FALTER" 20/00.)
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