Veilchen
Viola odorata

Das blauviolett - (es gibt auch Sorten mit roten und weißen Blüten) - blühende Frühlingsveilchen gedeiht gut und gerne auf feuchten, humusreichen Böden im Schatten unter Gehölzen. Wo es ihm gefällt, neigt es zum Wucherwuchs. Die ob ihres Wohlgeruches beliebten Veilchen blühen von Februar bis April sowie in geringem Ausmaß abermals von September bis Oktober.
Veilchen sind Frostkeimer; das bedeutet, dass die Samen Temperaturen unter 0°C ausgesetzt sein müssen, bevor sie daran denken, zu keimen.


Das Veilchen im Gedicht ...

Dichters Naturgefühl

Es war an einem jener Tage,
Wo Lenz und Winter sind im Streit,
Wo naß das Veilchen klebt am Haage,
Kurz, um die erste Maienzeit;

Ich suchte keuchend mir den Weg
Durch sumpfge Wiesen, dürre Raine,
Wo matt die Kröte hockt´ am Steine,
Die Eidechs schlüpfte über´n Steg.

Durch hundert kleine Wassertruhen,

Die wie verkühlter Spüligt stehn,
Zu stelzen mit den Gummischuhen,
Bei Gott, heißt das Spazierengehn?
Natur, wer auf dem Haberrohr
In Jamben, Stanzen, süßen Phrasen

So manches Loblied dir geblasen,
Dem stell dich auch manierlich vor!

Da ließ zurück den Schleier wehen
Die eitle vielbesungne Frau,
Als fürchte sie des Dichters Schmähen;

Im Sonnenlichte stand die Au,
Und bei dem ersten linden Strahl
Stieg eine Lerche aus den Schollen,
Und ließ ihr Tirilirum rollen
Recht wacker durch den Aethersaal.

Die Quellchen, glitzernd wie Kristallen, -
Die Zweige, glänzend emaillirt -
Das kann dem Kenner schon gefallen,
Ich nickte lächelnd: "Es passirt!"
Und stapfte fort in eine Schluft,

Es war ein still und sonnig Fleckchen,
Wo tausend Anemonenglöckchen
Umgaukelten des Veilchens Duft.

Das üpp´ge Moos - der Lerchen Lieder -
Der Blumen Flor - des Krautes Keim -

Auf meinen Mantel saß ich nieder
Und sann auf einen Frühlingsreim.
Da - alle Musen, welch ein Ton! -
Da kam den Rain entlang gesungen
So eine Art von dummen Jungen,

Der Friedrich, meines Schreibers Sohn.

Den Epheukranz im flächsnen Haare,
In seiner Hand den Veilchenstrauß,
So trug er seine achtzehn Jahre
Romantisch in den Lenz hinaus.

Nun schlüpft er durch des Hagens Loch,
Nun hing er an den Dornenzwecken
Wie Abrams Widder in den Hecken,
Und in den Dornen pfiff er noch.

Bald hatt´ er beugend, gleitend, springend,

Den Blumenanger abgegrast,
Und rief nun, seine Mähnen schwingend:
"Viktoria, Trompeten blast!"
Dann flüstert er mit süßem Hall:
"O, wären es die schwed´schen Hörner!"

Und dann begann ein Lied von Körner;
Fürwahr, du bist ´ne Nachtigall!

Ich sah ihn, wie er an dem Walle
Im feuchten Moose niedersaß,
Und nun die Veilchen, Glöckchen alle

Mit sel´gem Blick zu Sträußen las,
Auf seiner Stirn den Sonnenstral;
Mich faßt´ ein heimlich Unbehagen,
Warum? ich weiß es nicht zu sagen,
Der fade Bursch war mir fatal.

Noch war ich von dem blinden Hessen
Auf meinem Mantel nicht gesehn,
Und so begann ich zu ermessen,
Wie übel ihm von Gott geschehn;
O Himmel, welch´ ein traurig Loos,

Das Schicksal eines dummen Jungen,
Der zum Copisten sich geschwungen
Und auf den Schreiber steuert los!

Der in den kargen Feierstunden
Romane von der Zofe borgt,

Beklagt des Löwenritters Wunden
Und seufzend um den Posa sorgt,
Der seine Zelle, kalt und klein,
Schmückt mit Aladdins Zaubergabe,
Und an dem Quell, wie Schillers Knabe,

Violen schlingt in Kränzelein!

In dessen wirbelndem Gehirne
Das Leben spukt gleich einer Fey,
Der - hastig fuhr ich an die Stirne:
"Wie, eine Mücke schon im Mai?"

Und trabte zu der Schlucht hinaus,
Hohl hustend, mit beklemmter Lunge,
Und drinnen blieb der dumme Junge,
Und pfiff zu seinem Veilchenstrauß!

(Annette von Droste-Hülshoff)

 

 

Veilchen

Schlicht nur bist du stets gewesen,
unbedeutend oft und klein,
dennoch nimmt dein liebes Wesen
jeden, jeden für dich ein.

(Rainer Maria Rilke)


 

Ein Veilchen auf der Wiese stand,
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen.
Da kam eine junge Schäferin
Mit leichtem Gang
und munterm Sinn
Daher, daher,
die Wiese her und sang.

Ach! denkt das Veilchen,
Wär´ ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach, nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt,
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur
Ein Viertelstündchen lang!
Ach! aber ach!
Das Mädchen kam
Und nicht in acht das Veilchen nahm;
Ertrat das arme Veilchen.
Es sank und starb
und freut´ sich noch:
Und sterb´ ich denn,
So sterb´ ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch.

(von J. W. Goethe)