Die Lerche
Hörst du der Nacht gespornten Wächter nicht?
Sein Schrei verzittert mit dem
Dämmerlicht,
Und schlummertrunken hebt aus Purpurdecken
Ihr Haupt die
Sonne; in das Ätherbecken
Taucht sie die Stirn; man sieht es nicht genau,
Ob Licht sie zünde, oder trink' im Blau.
Glührote Pfeile zucken auf und
nieder
Und wecken Taues Blitze, wenn im Flug
Sie streifen durch der Heide
braunen Zug.
Da schüttelt auch die Lerche ihr Gefieder,
Des Tages Herold
seine Liverei;
Ihr Köpfchen streckt sie aus dem Ginster scheu,
Blinzt
nun mit diesem, nun mit jenem Aug';
Dann leise schwankt, es spaltet sich der
Strauch,
Und wirbelnd des Mandates erste Note
Schießt in das feuchte Blau
des Tages Bote.
»Auf!
auf! die junge Fürstin ist erwacht!
Schlaftrunkne Kämm'rer, habt des Amtes
acht;
Du mit dem Saphirbecken Genziane,
Zwergweide du mit deiner Seidenfahne,
Das Amt, das Amt, ihr Blumen allzumal,
Die
Fürstin wacht, bald tritt sie in den Saal!«
Da regen tausend Wimpern sich zugleich,
Maßliebchen hält das klare Auge offen,
Die Wasserlilie
sieht ein wenig bleich,
Erschrocken, daß im Bade sie betroffen;
Wie steht
der Zitterhalm verschämt und zage!
Die kleine Weide
pudert sich geschwind
Und reicht dem West ihr Seidentüchlein lind,
Daß zu der Hoheit Händen
er es trage.
Ehrfürchtig beut den tauigen Pokal
Das Genzian, und nieder
langt der Strahl;
Prinz von Geblüte, hat die erste Stätte
Er, immer dienend
an der Fürstin Bette.
Der
Purpur lischt gemach im Rosenlicht,
Am Horizont ein zuckend Leuchten bricht
Des Vorhangs Falten, und aufs neue singt
Die Lerche, daß es durch den
Äther klingt:
»Die Fürstin
kömmt, die Fürstin steht am Tor!
Frischauf, ihr Musikanten in den Hallen,
Laßt euer zartes Saitenspiel erschallen,
Und, florbeflügelt Volk, heb
an den Chor.
Die Fürstin kommt, die Fürstin steht am Tor!«
Da
krimmelt, wimmelt es im Heidegezweige,
Die
Grille
dreht geschwind das Beinchen um,
Streicht an des Taues Kolophonium
Und
spielt so schläferlich die Liebesgeige.
Ein tüchtiger Hornist, der Käfer,
schnurrt,
Die Müßcke schleift behend die Silberschwingen,
Daß heller der
Triangel möge klingen;
Diskant und auch Tenor die Fliege surrt;
Und, immer
mehrend ihren werten Gurt,
Die reiche Katze
um des Leibes Mitten,
Ist als Bassist die Biene
eingeschritten;
Schwerfällig hockend in der Blüte rummeln
Das Kontraviolon die trägen Hummeln. —
So
tausendarmig ward noch nie gebaut
Des Münsters Halle, wie im Heidekraut
Gewölbe
an Gewölbe sich erschließen,
Gleich Labyrinthen
ineinander schließen;
So
tausendstimmig stieg noch nie ein Chor,
Wie's musiziert aus grünem Heid hervor.
Jetzt sitzt die Königin auf ihrem Throne,
Die Silberwolke Teppich ihrem Fuß,
Am Haupte flammt und quillt die Strahlenkrone,
Und lauter, lauter schallt
des Herolds Gruß:
»Bergleute
auf! Heraus aus eurem Schacht
Bringt eure Schätze, und du Fabrikant,
Breit'
vor der Fürstin des Gewandes Pracht,
Kaufherrn, enthüllt den Saphir, den Demant!«
Schau, wie es wimmelt aus der Erde Schoß,
Wie sich die schwarzen Knappen drängen,
streifen,
Und mühsam stemmend aus den Stollen schleifen
Gewalt'ge Stufen,
wie der Träger groß;
Ameisenvolk; du machst es dir zu schwer!
Dein roh
Gestein lockt keiner Fürstin Gnaden.
Doch sieh die Spinne,
rutschend hin und her,
Schon zieht sie des Gewebes letzten Faden,
Wie
Perlen klar, ein duftig
Elfenkleid;
Viel edle Funken sind darin entglommen;
Da kommt der
Wind
und häkelt es vom Heid,
Es steigt, es flattert, und es ist verschwommen. —
Die Wolke dehnte sich, scharf strich
der Hauch,
Die Lerche schwieg, und sank zum Ginsterstrauch.
(aus den Heidebildern von Annette von Droste-Hülshoff)